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Nach(t)kritik

Mi, 03.05.2017
20.00 Uhr

Die feine Kunst der Auslegung

Veranstaltung: Caroline Goulding, Violine & Danae Dörken, Klavier: Schubert, Enescu, Elgar
Blutjung alle beide, doch bereits mit vielen Erfahrungen im weltweiten Konzertieren gesegnet. Die US-Amerikanerin Caroline Goulding (Violine) und die Deutsch-Griechin Danae Dörken (Klavier) haben sie zum Teil gemeinsam gemacht, brachten denn auch einen homogenen Zugriff mit. Obgleich sichtlich mit unterschiedlichen Temperamenten bedacht, haben die beiden Musikerinnen einen interessanten gemeinsamen Nenner gefunden, auch wenn es im bosco-Konzert eine Weile dauerte, bis er aufs neue aufgespürt war und der Funke übersprang. Vielleicht war aber auch die Schubert-Sonate D-Dur D 384 ein zu entspanntes, ja harmloses Werk, um das Publikum sogleich abzuholen. Schubert hatte mit Blick auf Mozart die Sonate recht geschmeidig und mit seinen 19 Jahren noch unbeschwert und heiter konzipiert. Gouldings weite Rücknahmen in diesem feinsinnig differenzierten Farbspektrum wirkten zunächst etwas blass, ja vielleicht erst einmal gewöhnungsbedürftig, bis ihre Empfindsamkeit als Ausdrucksmittel verstanden werden konnte. Aber spätestens im beseelten Moll-Mittelteil des Andantes berührten diese zarten Töne der Violine, im wohlklingenden Filigran des Klavierparts eingebettet. Der tänzelnde Schlusssatz, von luftiger Leichtigkeit getragen, brachte Qualitäten mit sich, die geradezu per se dafür geeignet sind, die Zuhörer zu verführen, was das Duo auch mit viel Fingerspitzengefühl nutzte.
Das verbindende Element des Programms waren wohl die Rückgriffe auf frühere Meister. Wie Schubert auf Mozart zurückgriff, so ist Schumanns Sonate d-Moll op. 121 vor dem Hintergrund der Bach-Rezeption in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu hören. Über Elgar sollte schließlich auch die Brahms‘sche Ästhetik zum Zuge kommen. Einzig „Impressions d’enfnance“ (Eindrücke aus der Kindheit) des rumänischen Meisters George Enescu griff auf kein direktes Vorbild zurück, allenfalls in inhaltlicher Hinsicht auf Schumanns Kinderszenen. Doch bei Enescu ging es um sehr persönliche Bilder und Episoden, die Goulding und Dörken mit großer Hingabe und meisterhafter spieltechnischer Umsetzung verzauberten. Gerade im Zwitschern des Vogels wie im Ruf des Kuckucks im „L’Oiseau en cage et le coucou au mur“ (Der Vogel im Käfig und die Kuckucksuhr an der Wand) bewies das Duo imaginative Kraft und Spielfreude. Ebenso die nötige Ernsthaftigkeit, ist doch die Suite keinesfalls als ein Kinderspiel zu betrachten, zumal in Hinblick auf die virtuose Ausführung. Die Klangmalerei griff das Duo denn auch mit größter Sensibilität und weiblicher Einfühlsamkeit auf.
Doch Goulding und Dörken vermochten auch kraftvoll und energisch durchzugreifen, wenn die Werke es hergaben. Schumanns „große Sonate“ begann in diesem Sinne. Das klotzige Eröffnungsmotive, die in Tönen ausdrückbare Signatur des Widmungsträgers, des Konzertmeisters des Leipziger Gewandhausorchesters Ferdinand David (D-A-vid FerdinanD), machte die sinfonische Anlage sofort hörbar. Eine Art der Eröffnung, wie sie auch Elgar in seiner Sonate d-Moll op. 82 platzierte. Doch während Schumanns komplexe, spannungsvolle Anlage schon einen sehr hohen interpretatorischen Anspruch spiegelt, machte das Duo bei Elgar deutlich, dass es ihm dort vor allem um eine gehobene Stimmung ging, um den großen, in die ferne schweifenden elegischen Gesang, den Goulding leidenschaftlich aussingen ließ, während der eine besondere Atmosphäre schaffende Klavierpart Dörkens immer wieder zum sinfonischen Ansatz zurückkehrte. Die temperamentvolle Pianistin verstand es, besonders klar und transparent Vitalität spürbar zu machen.Eine nachhaltig-warmfühlige Wirkung sollte Schumanns langsamer Variationssatz erzeugen, obgleich Goulding kein schönes Pizzicato hinbekam, doch in den anschließend gestrichenen Variationen eine absolut überzeugende Entwicklung lieferte. Es war ein langer Weg von Schubert, über Schumann und Enescu bis hin zu Elgar, doch der Spannungsbogen hielt durch, um schließlich ein hochbewegendes, rührendes „Salut d’amour“ von Elgar (in der Zugabe) in seiner vollen Schönheit auszubreiten.
Reinhard Palmer, 04.05.2017


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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