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Nach(t)kritik

Fr, 09.01.2015
20:00 Uhr

It's all about Stubnmusi

Veranstaltung: Georg Ringsgwandl & Band: Mehr Glanz
Diese unnachahmliche, formvollendete Barden-Verbeugung: Georg Ringsgwandl hat sie im Laufe von Jahrzehnten zur gymnastischen Perfektion entwickelt, nicht achtend das aufkommende Alter, welches ja jedweder Grazie durchaus Grenzen setzen kann. Der Murnauer Meister des Unerwarteten beehrte das neu bestuhlte Bosco mit seinem seit 2013 laufenden Programm "Mehr Glanz" und kam samt seinen vorzüglichen Musiker-kollegen der Forderung gleich höchstselbst mit Grandezza nach. Blaue Jeansjacke, "Diskofunktionshose" mit Taschen in Handhöhe und natürlich der Hut, "den scho die Hebamm´ bei meiner Geburt net oba brocht hat" - all dies sind keine Hindernisse auf dem Pfad der Ringsgwandl-Eleganz, im Gegenteil: Aus dem Praktisch-Einfachen erwächst ihm immer wieder wie eine seltene Blume das Besondere, das Skurrile, die herbe Schönheit von Worten und Liedern. Da sagt und singt der Mann mit den elastischen Beinen von der Schönheit einer dicken Politesse, die ihn einst zur Weißglut getrieben haben muss - ein Richter, so die Ringsgwandl-Legende, stellte ihm anheim, der Frau ein Liebeslied zu dichten. statt 6.000 Euro Geldstrafe zu zahlen oder gar drei Monate Knast abzusitzen. So kam er zu Stande, der lobpreisende Song von der "Vrone aus der verkehrsberuhigten Zone". Ringsgwandl hat einfach den Blick und die Antennen für die Schönheit im Hässlichen, sonst könnte er sich nicht mit Falsettstimme ans Pianoforte setzen und die Nummer "Hennahof, sei wachsam" vom Zaun brechen, eine wirklich federnsträubend komische Nummer im Gospel-Stil, Refrain auf Englisch: "Chicken ass, be watchful!" Danach ist das Publikum sichtlich angeschlagen vor Gackern, und Ringsgwandl kann zur Beruhigung des Zwerchfells seine Zither ansteuern: "It´s all about Stubnmusi" lautete die Erkenntnis, die er gemeinsam mit einem Motörhead-Musiker-Kollegen auf 1500 Metern Almhütten-Höhe gewann, auch so eine Legende, die stimmen könnte. Wenn Georg Ringsgwandl nicht gerade beim Urologen in Partenkirchen Rocker mit Blasenschwäche trifft, erinnert er sich halt indirekt an seine Zeit als Klinik-Arzt: Erzählt zwischen zwei Liedern davon, wohin sich der moderne Medizin-Betrieb heutzutage so entwickelt hat. Gewinnt erneut Distanz, indem er davon berichtet, wie bei vielen Ärzten alles nur noch ums Geld geht und ums Porschefahrenkönnen. Da möchte einer wie er doch lieber Kuh sein und sich das Euter kraulen lassen. Ringsgwandls Werdegang war der vom Neinsagen, vom Loslassen, das scheint in seinen Programmen immer wieder durch und wird sogar aufs Neue in kluger Weise bekräftigt: "So geht´s net" oder "Schmeiß den Typen raus" heißen seine Titel. Es sind Absagen an ein krampfiges, als falsch und unecht empfundenes Leben, Aufforderungen zur Verweigerung. Nicht alles mitmachen, weder auf der politisch korrekten Schiene und auch nicht auf dem Nebengleis, bloß weil das gerade angesagt ist. Ringsgwandl vermisst das Originäre und Kantige allerorten - in der Politik sowieso, wenn er textet: "Niemand überschreitet ein Verbot / Im emotionalen Wärmetod..." Bei den zwischenmenschlichen Beziehungen und deren Inkonsequenz sieht sein ärztlicher Befund wohl ähnlich aus. Dem Romantiker mit dem Skalpell genügt es vollkommen, dann zu singen "I hob nur di" und dabei alles Hochfahrende in wundervolle Demut zu verwandeln. Und den Kollegen an Gitarre/ Mandoline (Daniel Stelter), Kontrabass/E-Bass (Christian Diener) und Tommy Baldu (Drums) lässt der Meister genügend Raum, ihre eigenen Qualitäten zur Geltung zu bringen - insbesondere Stelter bedeutet für den selber E-Gitarre zupfenden Ringsgwandl ein gutes Stück Entlastung bei Blues, Rock und Balladen. So kann er, zu Christian Dieners traumhaftem Bass-Fadeout am Ende der zweiten Zugabe, noch einmal selber federleicht glänzen - mit dieser höfischen Verbeugung, die ihm und seinen langen Haxen so formvollendet gelingt. Der Barde, er lebt.
THOMAS LOCHTE
Thomas Lochte, 01.09.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 09.01.2015 | © Werner Gruban