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Nach(t)kritik

Fr, 15.04.2016
20.00 Uhr

Mission Impossible

Veranstaltung: Carola Wegerle: Die Irak-Mission

Es gibt Landschaften, die entstehen in der Musik. Weite, elegische Landschaften entstanden an diesem dritten Abend der Reihe „Länder an der Schwelle“, verortet durch ungewöhnliche Instrumente und außergewöhnliche Musiker. Vernarbt und schrundig war das Land, das Berivan Kaya und Wolfgang Gleixner in Klängen ausmalten, gezeichnet vom Krieg, getränkt von den daraus folgenden Tragödien. Und trotzdem lebt dieses Land, grünt, trägt - und auch das hört man. Die Schauspielerin, Sängerin und Musikerin Berivan Kaya, Tochter eines kurdischen Vaters und einer deutschen Mutter, die man unter anderem aus dem Kinofilm „Almanya“ kennt und die in München an den Kammerspielen und später am Residenztheater spielte und inszenierte, gestaltet singend, flüsternd, lautmalend ganze Szenen in diesen Landschaften. Und Wolfgang Gleixner, Klangforscher, Multiinstrumentalist, Musikproduzent, der bei Haindling und mit Konstantin Wecker spielt, greift Kayas Bälle auf, spielt sie ihr zurück, spielt ihr eigene Bälle zu, die über den Landschaften schweben wie bunte, unbekannte Schmetterlinge, wie aufschiebender Staub. Drei Lieder hat Kaya ausgewählt, leider nur drei, für diesen Abend, drei im Gedächtnis bleibende Säulen rund um die Lesung von Carola Wegerle aus ihrem Roman „Die Irak-Mission“.

Das Buch erzählt von einer jungen Ärztin, Claire, die von einer Hilfsorganisation in den Nordirak gerufen wird, um verletzte Kinder in einem kurdischen Waisenlager zu operieren. Dabei gerät sie mitten hinein in einen Politthriller um die Vertuschung der Explosion eines Militärflugzeugs, in dem unter anderem eine korrupte Staatssekretärin, eine heimlich recherchierende irakische Journalistin und ein Under-Cover-Agent eine Rolle spielen. Wegerle liest mit großem emotionalem Einsatz, was über die sprachlichen Schwächen des Romans nicht immer hinwegretten kann. Die ausgewählten Stellen zumindest legen nahe, dass die Geschichte zwar ein durchaus brisantes und realitätsnahes Thema aufgreift, aber die dramaturgische Gestaltung als Thriller mit Pageturner-Ambitionen nicht wirklich gelungen ist. Dabei hat Wegerle ehrenwerte Absichten. „Mich interessieren die Motive, aus denen heraus Menschen ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen“, sagt sie. Ihre Heldin Claire, die noch an einem Trauma leidet, das ein erster Auslandseinsatz verursacht hatte, weiß diese Frage nicht auf Anhieb zu beantworten. 

„Die Irak-Mission“ war der Anlass, die Reihe „Länder an der Schwelle“ zu entwickeln und mit einer Foto-Ausstellung, einem Vortrag und Kino-Filmen einen besonderen Blick auf den Irak und Kurdistan-Irak zu werfen. So entsteht insgesamt und durch die Vielzahl der Veranstaltungen ein perspektivenreicher Eindruck dieses den meisten nur durch die Nachrichten bekannten Landes.

Sabine Zaplin, 15.04.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 15.04.2016 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting