Nach(t)kritik
Christian Springer: Kabarett mit Rückgrat
Veranstaltung: Christian Springer: Oben OhneNach(t)kritik von Reinhard Palmer, 27.02.2015
Christian Springer: Kabarett mit Rückgrat
So ganz darf man Christian Springer nicht aufs Wort glauben, wenn er meint, Kabarettist zu sein, sei heute einfach. Man müsse ja nur noch erzählen, wie es ist, behauptete er in „Oben ohne“. Inhaltlich kann man dem gewiss zustimmen. Aber schließlich muss er der Tragödie ja noch einen humoristischen Aspekt abgewinnen. Und das ist schon eine hohe Kunst der enthüllenden Wortspiele, gewollten Versprecher – und der Selbstbeherrschung, bei all den Absurditäten des politischen Alltags nicht wahnsinnig zu werden. Oft ist es der Weg der naiven Umkehrschlüsse, der Missstände weit eindringlicher rüberbringt, als ihre sachliche Schilderung es je schaffen würde. Und wenn seine Grundzüge der „modernen bayerischen Politik“ dann lauten: „Haben wir einen Landrat? Wann hat er Geburtstag? Weiß es die Sparkasse?“, dann ist die Problematik auf knappste Weise auf den Punkt gebracht, ohne den Fall des Miesbacher CSU-Landrats Jakob Kreidl, dem die Sparkasse horrende Summen für sein Geburtstagsfest „gestiftet“ hatte, überhaupt nennen zu müssen.
Die Besucher Springers Programme sind schon extrem gefordert, denn die Dichte der Pointen ist enorm, und sein Sprechtempo eher in die Kategorie Turbolader einzuordnen. Dementsprechend ist zudem die Bandbreite der angesprochenen Themen bis in die globalen Aspekte hinein ungewöhnlich weit gespannt.
Dass Springer sein altes Ego, den Fonsi, in den Ruhestand geschickt hat und geradeaus selbst unter einer gewissen Wut firmiert, deutet schon auf einen gesteigerten Ernst der Lage hin. Auf die Reaktion folgt die Gegenreaktion: Die Zeit der lustigen Comedy-Kasper ist eben vorbei. Auch Fonsi war offenbar zu seicht, denn „wir sind in unruhigen Zeiten“. Auch wenn es bei Springer schon sehr lustig werden kann, vor allem, wenn es um die Stupidität des kleinen Mannes geht, der nun seine allerletzte Domäne, den Baumarkt, in dem er selbst seinen Initiationsritus absolviert hatte, an die Gattung Strong Woman verloren hat, bleibt einem das Lachen ansonsten doch immer wieder im Hals stecken. Springer ist eben ein Verfechter des anspruchsvollen politischen Kabaretts, der nach dem Rückgrat nicht beim Metzger fragt, sich im Gewimmel von „80 Millionen Egomanen und 160 Millionen Ellenbogen“ den Urknall zurückwünscht, oder einfach nur die Dinge beim Namen nennt. So heißt die „Ertüchtigungsinitiative“ der Bundeswehr in Mali bei Springer schlicht Einmarsch und das Interesse an den seltenen Erden dort einfach nur Zufall, dass gerade Ursula von der Leyens Brüder diese für ihre Unternehmen benötigen.
Christian Springer beherrscht auch die Kunst der Überzeichnung aus dem Effeff und vermag die skurrilsten Szenarien zu kreieren, die sich beim genauen Hinhören, dann aber doch gar nicht so absurd darstellen. Nehmen wir etwa die Idee der neu erfundenen jahrtausendealten Tradition des Windradlaufstellens, des Energiewendefeiertags am ersten November vom Maibaumritus abgeleitet: Mit kirchlichem Segen könnte sie vielleicht tatsächlich den Ministerpräsidenten Seehofer überzeugen. Und man erinnert sich an die Worte Springers vom Anfang seiner Vorstellung: „Was ist schlimmer in Bayern, der Nicht-Wähler oder der blöde?“
An der Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit Springers zweifelte hier wohl niemand. Dass er aber vom Theaterforum her die Möglichkeit bekam, zum Beginn der zweiten Programmhälfte die von ihm gegründete Organisation Orienthelfer e.V. vorzustellen und sich für die zwei gestifteten Feuerwehrfahrzeuge bei der Gautinger freiwilligen Feuerwehr zu bedanken, machte nur deutlich, dass Kultur und der Ernst des Lebens keine separaten Welten darstellen. Und wenn sich Springer dann auch noch eine öffentlich inszenierte Überführung des Bundesschatzes in Form von Goldbarren aus den USA nach Deutschland wünscht, dann nur um unseren enormen, wenn auch schlecht verteilten Reichtum bewusst zu machen. Angesichts der Berichte über verhungernde Kinder, denen die Orienthelfer aufgrund fehlender Mittel nur bedingt helfen können, schwang da ein bitterböses Gefühl der Ohnmacht mit. Wie gut, dass Christian Springer trotz der Frustration nicht aufgibt.
Die Besucher Springers Programme sind schon extrem gefordert, denn die Dichte der Pointen ist enorm, und sein Sprechtempo eher in die Kategorie Turbolader einzuordnen. Dementsprechend ist zudem die Bandbreite der angesprochenen Themen bis in die globalen Aspekte hinein ungewöhnlich weit gespannt.
Dass Springer sein altes Ego, den Fonsi, in den Ruhestand geschickt hat und geradeaus selbst unter einer gewissen Wut firmiert, deutet schon auf einen gesteigerten Ernst der Lage hin. Auf die Reaktion folgt die Gegenreaktion: Die Zeit der lustigen Comedy-Kasper ist eben vorbei. Auch Fonsi war offenbar zu seicht, denn „wir sind in unruhigen Zeiten“. Auch wenn es bei Springer schon sehr lustig werden kann, vor allem, wenn es um die Stupidität des kleinen Mannes geht, der nun seine allerletzte Domäne, den Baumarkt, in dem er selbst seinen Initiationsritus absolviert hatte, an die Gattung Strong Woman verloren hat, bleibt einem das Lachen ansonsten doch immer wieder im Hals stecken. Springer ist eben ein Verfechter des anspruchsvollen politischen Kabaretts, der nach dem Rückgrat nicht beim Metzger fragt, sich im Gewimmel von „80 Millionen Egomanen und 160 Millionen Ellenbogen“ den Urknall zurückwünscht, oder einfach nur die Dinge beim Namen nennt. So heißt die „Ertüchtigungsinitiative“ der Bundeswehr in Mali bei Springer schlicht Einmarsch und das Interesse an den seltenen Erden dort einfach nur Zufall, dass gerade Ursula von der Leyens Brüder diese für ihre Unternehmen benötigen.
Christian Springer beherrscht auch die Kunst der Überzeichnung aus dem Effeff und vermag die skurrilsten Szenarien zu kreieren, die sich beim genauen Hinhören, dann aber doch gar nicht so absurd darstellen. Nehmen wir etwa die Idee der neu erfundenen jahrtausendealten Tradition des Windradlaufstellens, des Energiewendefeiertags am ersten November vom Maibaumritus abgeleitet: Mit kirchlichem Segen könnte sie vielleicht tatsächlich den Ministerpräsidenten Seehofer überzeugen. Und man erinnert sich an die Worte Springers vom Anfang seiner Vorstellung: „Was ist schlimmer in Bayern, der Nicht-Wähler oder der blöde?“
An der Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit Springers zweifelte hier wohl niemand. Dass er aber vom Theaterforum her die Möglichkeit bekam, zum Beginn der zweiten Programmhälfte die von ihm gegründete Organisation Orienthelfer e.V. vorzustellen und sich für die zwei gestifteten Feuerwehrfahrzeuge bei der Gautinger freiwilligen Feuerwehr zu bedanken, machte nur deutlich, dass Kultur und der Ernst des Lebens keine separaten Welten darstellen. Und wenn sich Springer dann auch noch eine öffentlich inszenierte Überführung des Bundesschatzes in Form von Goldbarren aus den USA nach Deutschland wünscht, dann nur um unseren enormen, wenn auch schlecht verteilten Reichtum bewusst zu machen. Angesichts der Berichte über verhungernde Kinder, denen die Orienthelfer aufgrund fehlender Mittel nur bedingt helfen können, schwang da ein bitterböses Gefühl der Ohnmacht mit. Wie gut, dass Christian Springer trotz der Frustration nicht aufgibt.
Reinhard Palmer, 01.03.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.