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Nach(t)kritik

Do, 24.02.2022
20.00 Uhr

Allzu Fair Gehandeltes

Veranstaltung: Simone Solga: Ihr mich auch!

Ja, da lacht der Spießer – oder er freut sich zumindest, dass Kabarett jetzt schon so wohlfeil daherkommt wie bei Simone Solga: „Ihr mich auch!“ heißt ihr aktuelles Programm, mit dem sie gnadenlos auf den größten gemeinsamen Nenner setzt, den es momentan gibt, Öko- und Grünen-Bashing. Kaum gab es hierzulande eine Ampelkoalition mit der Igittigitt-Verbotspartei anstelle der ewigen „Mutti“ Angela Merkel, wurde auch von der ewigen Kanzlerinnen-Souffleuse flott umgesattelt. Und weil es zurzeit praktisch ein kostenloser Spaß ist, der Annalena die Baerböcke ihrer Unerfahrenheit und dem Homo Habeck seine ganze Habeckhaftigkeit um die Ohren zu hauen, schließt sich auch die Solga an wie eine Kerzen tragende Montagsspaziergängerin, die ja „nur“ ein bisschen mitmarschieren will mit all dem ostdeutschen Blök-Volk, das angeblich „das Volk“ ist. Wer in der „DDR“ groß geworden ist, 1963 geboren im thüringischen Gera und aufgewachsen in Leipzig wie die schnuckelige Simone, der hat – wir arroganten Wessis wissen das inzwischen – einen stolzen Widerspruchsgeist, der sich selbst knapp unterhalb der Bewegung des 20. Juli verortet und gemäß Legende immer schon gegen alles und jeden tapfer aufbegehrt hat. Solga sieht sich offenbar in dieser Tradition, und weil es sich fürs politische Kabarett ohnehin so gehört, werden natürlich diejenigen, die sich gerade anschicken, dieses Land zu verändern, sofort und grundsätzlich diskreditiert – der Sachse blickt schließlich schon immer als einziger durch.

Aber das alles kommt bei der ebenso niedlichen wie schlagfertigen Simone ja so harmlos daher wie ein Smalltalk mit der Blondine von nebenan: Von Politik hat sie ja angeblich dermaßen die Nase voll, dass sie auf geradlinige Ansprache setzt und offene Türen einrennt: „Haben Sie nicht auch manchmal Lust auf einen Systemwechsel?“ biedert Solga sich auf der Anything-goes-Ebene an, die am Ende nicht bloß die Spaßbremse Olaf Scholz als „lustigen Vagabund“ verhonepiepelt, sondern womöglich demokratische Strukturen grundsätzlich in Frage stellt. Einst war die ausgebildete Schauspielerin und Buchhändlerin die erste Ostdeutsche in Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“-Sendung gewesen, später fünf Jahre lang Ensemble-Mitglied der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, da müsste sie eigentlich wissen, was die Aufgabe politischen Kabaretts ist – jedenfalls nicht die, sich beim Publikum anzuwanzen, indem man die Spießer darunter und am besten auch noch gleich sich selber als „wahre Utopisten“ und „Rebellen“ adelt. Über Solgas Pointen kann man vor allem dann sehr unangestrengt lachen, wenn sie ins Unpolitisch-Private überwechselt und über ihre Fell-Stiefel Auskunft gibt: „Fair gehandeltes Robben-Baby!“ Und auch ihren Sex-Appeal setzt die 59-jährige kalkuliert ein, indem sie kokettiert: „Meine politische Orientierung ist asexuell.“

Ja, wenn's eh schon egal ist, dann darf man als Kabarettistin mit FDJ-Prägung sicher auch Blödsinn über die angeblich bei Migrantinnen empörend  inaktiven Frauenrechtlerinnen verbreiten. Darf sich als „Porsche Macan“-Fahrerin outen, weil's so schön unkorrekt ist; darf den Schwurblern und Querdenkern geistige Schützenhilfe leisten mit dem Satz: „Die Stimmung ist bei denen, die für Vielfalt sind, nur so lange gut, wie alle einer Meinung sind.“ Und, logisch, als nächstes kriegen die Medien ihr Fett weg – O-Ton: „Wenn mein Hund am Hintern eines anderen Hundes schnüffelt, kriegt er mehr Informationen, als wenn ich ARD und ZDF gucke.“ Sie nennt das „Perioden-Fernsehen“, weil man da jeden Monat bluten muss. Zeitungen wirft sie direkt vom Postkasten in den Müll, obwohl sie Abonnentin ist. Man wartet an dieser Stelle des Solga-Programms schon darauf, dass der Begriff „Lügenpresse“ kommt.

Einmal bekennt sich die Künstlerin („Sternzeichen Krawallschachtel“) sogar selber dazu, populistisch unterwegs zu sein. Kostet ja wieder nix. „Wer von euch ohne Gucci ist, der werfe die erste Rolex!“, lautet so ein hübscher Versuch des Sichgemeinmachens mit dem Publikum, schließlich ist man im wohlhabenden Gauting. Noch mal zurück zu den Genderwütigen und den Grünen und zum allzeit dankbaren Spott-Opfer Saskia Esken (SPD): „Tolle Zeit für Frauen – nix können und trotzdem reich werden. Dafür musste man früher Fußballer heiraten!“ Rumms, ist die verlogene Frauenquote auch noch abgeräumt, Schenkelklopfen bei den alten weißen Männern im Saal. So geht das über zwei Stunden, immer schön dem Mainstream entlang. Eine Prise „Fifty Shades of Gray“ gefällig? Bitte sehr - ihren Sex-Therapeuten hat sie derart eingeschüchtert, dass der wimmert: "Lieber Fesselspiele mit heißen Kerzen!“ Simone Solga weiß offenkundig ganz genau, was sie da anrichtet: „Wenn Kabarett Sado-Maso ist, bin ich die Qualitätsdomina!“

Ziemlich witzig, wenngleich einigermaßen grobschlächtig ist noch die Nummer als polnische Pflegekraft „Kascha“, die mit „gewaltfreier Intimpflege“ für sich wirbt. Da kommen auch wieder jene inzwischen schlappen Männer vor, die einst Wölfe waren und inzwischen „zum Golden Retriever runtergemendelt“ worden sind. Solgas Mann namens Udo hat sie sich ja auch zum „Sitzpinkler“ erzogen, nun dient er ihr noch als „Bio-Tonne“: Was da alles reingeht...

Wie gesagt, das Ganze ist durchaus komisch, solange es nicht die Politik betrifft. Es ist eine Art Kabarett, die nahe am heutzutage gängigen „Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“ siedelt. Und wenn Solga vor Deutschland fliehen möchte, irgendwohin, wo garantiert keine Deutschen sind, rät ihr die Freundin: „Geh doch nach acht in den Stadtpark!“ Da fürchtet sich der Ausländer bestimmt. Das bosco-Publikum war sehr zufrieden mit diesem Abend und hatte auch keine Fragen mehr.

Thomas Lochte, 25.02.2022


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 24.02.2022 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.