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Nach(t)kritik

Mi, 01.06.2016
20.00 Uhr

Artemis Quartett: Höchste Intensität

Veranstaltung: Artemis-Quartett: Weltweit führend!
Es lag schon eine Atmosphäre der freudigen Erwartung in der Luft, bevor die Musiker die Bühne betraten. Einerseits vielleicht in Erinnerung ans letzte großartige Konzert des Artemis Quartetts im bosco 2014, andererseits eventuell in Kenntnis dessen, dass dem Ensemble nachgesagt wird, weltweit das beste Streichquartett zu sein. Gewiss war man auch gespannt darauf, wie sich die Neue im Bunde macht und ob die Änderungen im Ensemble (Gregor Sigl wechselte zur Bratsche, Anthea Kreston ist die neue zweite Violine; Primaria Vineta Sareika und Gründungscellist Eckart Runge unverändert) Auswirkungen auf die Spielweise des Ensembles haben würden. Und wieder einmal genügten hier nur wenige Töne des Artemis Quartetts, um alle Fragen zu beantworten und Befürchtungen in Luft aufzulösen.
Die Italienische Serenade von Hugo Wolf ist denn auch ein dankbarer Satz, gute Stimmung zu verbreiten. Der Komponist liebte den Süden und huldigte ihm in vielen Liedern. Diese Serenade tut es wortlos, doch umso beredsamer, obgleich sich das Quartett streng in die vorgeschriebenen leisen Bereiche zurückzog. „Der Satz ist ein Notturno, das nicht zart genug vorgetragen werden kann“, schrieb A. Aber in der Einführung zur Notenausgabe. In dieser Rücknahme und subtilen Feinsinnigkeit zugleich Wärme, heitere Unbeschwertheit und üppiges, orchestrales Kolorit zu entwickeln, war schon ein Meisterstück an leidenschaftlicher Hingabe. Darin bleibt sich das Artemis Quartett unerschütterlich treu. Höchste Intensität ohne Kompromisse bis ins Detail ist nach wie vor das oberste Gebot im Spiel.
Das entscheidende ist aber dabei, dass der Blick aufs Ganze und die weiten Entwicklungen niemals verloren geht. Im Gegenteil: Der Sinn einer jeden Ausformung war hier immer klar und deutlich im Gesamtkontext zu suchen. Auch wenn an den einen, gerade gespielten Ton gedacht wurde, wachten Herz, Seele und Emotion weit darüber. Das war fürs bosco-Konzert eine zentrale Anforderung, die mehrmals auf dem Prüfstand stehen sollte. Zuerst in Schostakowitschs Mittelsatz des Streichquartetts Nr. 5 B-Dur, der sich extrem langsam, überaus subtil und in leisen, zurückhaltenden Kategorien entwickelt. Dieses zutiefst empfindsame Sinnieren war hier die reinste Seelenmassage in meditativer Versenkung. Schostakowitsch brachte diese Charakteristik auch in die überdimensionale Coda des Schlusssatzes hinein, die sich unter den Fingern des Artemis Quartetts schon atemberaubend offenbarte.
Ein derartiger Zugriff funktionierte überraschenderweise genauso gut in Beethovens erstem Rasumowsky-Quartett op. 59/1 F-Dur. Zu dem ausladenden und inhaltlich zentralen Adagio notierte Beethoven die Worte: „einen Trauerweiden- oder Akazien-Baum aufs Grab meines Bruders“. Als „barockes Lamento“ (Lini Hübsch) kam zur sinnierenden Charakteristik ein Quartettsatz von betörender Schönheit hinzu, den das Artemis Quartett warmtonig austarierte und plastisch durchmodellierte, ohne auch nur ansatzweise die Spannung des Gesamtbogens zu vernachlässigen.Gewohnt packend in höchster spieltechnischer Präzision und ausdrucksstarker Homogenität kreierte das Ensemble aber auch die straffen Sätze, die glühende Intensität nach außen trugen. Das galt vor allem in den spannungsgeladenen Rahmensätzen bei Schostakowitsch, genauso in der musikantischen Heiterkeit der Wolf-Serenade, vor allem aber mitreißend in den Sätzen eins, zwei und vier Beethovens Streichquartett, die hier frisch und vital, vor allem aus der Musizierlust heraus interpretiert überzeugten. Nur Mozarts Fugato molto Allegro des G-Dur-Streichquartetts KV 387 in der Zugabe konnte darin mithalten. Langer, frenetischer Applaus und Ovationen.
Reinhard Palmer, 02.06.2016


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Mi, 01.06.2016 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting