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Nach(t)kritik

Do, 02.05.2019
20.00 Uhr

Auf Job-Suche

Veranstaltung: Simone Solga: Das gibt Ärger

Merkel-Dämmerung - das Berliner Personal muss sich bald nach neuen Jobs umsehen, und der seit etwa 2005 „amtierenden“ Kanzlerinnen-Souffleuse Simone Solga geht es da nicht anders. Wenn sich aber eine derart lange, durchaus gedeihliche „Arbeitsbeziehung“ wie zwischen Politikerin und Kabarettistin ihrem unvermeidlichen Ende zuneigt, dann ahnt man schon mit dem gleichnamigen Programmtitel: „Das gibt Ärger“. Loslassen nach langer Bindung ist nämlich eine Kunst, die nicht jede(r) beherrscht – das ging schon anderen Merkel-Trabanten so, ob nun ihren Ministern oder ihren satirischen Ministranten, „Muttis“ Sprachparodisten oder den Rauten-Nachahmern. Eine leidenschaftliche Beziehung wie diese erkaltet nicht einfach geräuschlos, sie verglimmt eher knarzend und mit Gepolter.

Für die in Gera gebürtige Solga, die immerhin Jahre lang „Im Auftrag Ihrer Kanzlerin“ auf den Bühnen der Republik unterwegs war, ist dieser Abschied gewiss kein leichter. Formal hat sie der Chefin zwar ihre Kündigung ausgesprochen, doch mit der inneren Demission dauert es noch ein Weilchen – zu eng waren Angela und Simone miteinander verbandelt, und zumindest die Eine war auf das Treiben der Anderen von Berufs wegen angewiesen. Und in so einer symbiotischen Beziehungskiste kommen unweigerlich auch die Enttäuschungen und Abnutzungserscheinungen, insofern ist Solgas kabarettistischer Abgesang auf die Ära Merkel zugleich ein wohltuender Schlusstrich unter alle unterhalten wollenden Ausbeutungsformen des Themas – bloß: Einmal musste man´s auch im Bosco noch über sich ergehen lassen. Simone Solga war natürlich wieder in Hochform, ratterte, ohne Luft zu holen, wie eine tatsächlich dem Berliner Polit-Betrieb gerade noch entronnene Flüchtige ihre Bilanz herunter, um konsequenter Weise beim Gautinger Publikum um eine Art Asyl zu bitten – eine „traumatisierte Bundesbürgerin mit Altmaiers Lunch-Paket“ als Wegzehrung. Merkels „willige Helferin“ kündigt also, weil Merkel selber auch keine Lust mehr hat, erklärtermaßen. Das Heraufziehen der neuen Post-Angela-Zeit wird bei dieser Gelegenheit gleich mal als kaum genießbare Epoche begrüßt: „AKK, das klingt ja wie eine verbotene kurdische Terror-Organisation“, ätzt Solga, und in Anbetracht des großen Diesel-Betrugs ("Opel Asthma") und dem Kotau vor der Automobilindustrie werde die kommende Kanzlerin sowieso „Karrenbauer“ heißen und ihr Vize vermutlich – genau ! - Wagenknecht.

Womit sich die in Leipzig aufgewachsene Simone endgültig von Merkel ab- und jedwedem neuzeitlichen Irrsinn zuwendet, der nun auf die angstbesetzten Deutschen wartet: Ernährungsterrorismus, Hassprediger verschiedenster Couleur, Gender-Schwachsinn. Dieses Hintersichlassen des monothematischen Merkelianismus wirkt bei Solga einerseits befreiend, zum andern landet sie nun in der Falle, unbedingt alles abhandeln zu wollen, was „ohne Merkel“ noch übrig ist: In guten, geradezu brillant verdichteten Momenten ist das dann auf gut Bairisch ein einziges, pointiertes Abwatschen, in den weniger guten ein weitschweifiger Vortrag, der nicht so recht auf den Punkt kommen will. Solgas Stärke bei den „Kanzlerinnen“-Programmen speiste sich stets aus dem Spannungsfeld zwischen ihrer loyalen Souffleusen-Figur und dem vorgeführten Wahnsinn des Berliner Parketts. Jetzt aber, nach dem Quasi-Abdanken des Kristallisationspunkts „Merkel“, ist Solgas neu inszenierte Orientierungslosigkeit ihre Schwäche. Dort wo sie mit ihrer Scharfzüngigkeit (vulgo: Kodderschnauze) eigentlich klare Kontur zeigen könnte, wirkt sie auf seltsame Weise politisch uneindeutig, als habe sie wie Merkel einen Amtseid geleistet, irgendwie für alle Deutschen da zu sein. So holt man sich zwar den einen oder anderen wohlfeilen Gesinnungsbeifall ab, aber man gelangt übers Gefällige nur noch selten hinaus, und "Ärger" wie versprochen gibt es auch nicht wirklich.

Die temperamentvolle Kanzler-Einflüsterin wird sich schon bald eine neue Bestimmung suchen müssen, und es braucht einem nicht bange zu sein, dass Simone Solga als erfahrene Kabarettistin (u.a „Pfeffermühle“, „Lach- und Schießgesellschaft“) wieder einen neuen guten Job machen wird. Ihr großes Thema könnte die schier unerträgliche politische Korrektheit werden, die sich überall breit zu machen beginnt – Stichwort: „Möhrenkuchen“. Starker, gleichwohl erschöpfter Applaus im Bosco.

Thomas Lochte, 03.05.2019


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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