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Nach(t)kritik

So, 27.09.2015
17.00 Uhr

Bezaubernd

Veranstaltung: Sebastian Hofmüller & Greulix Schrank: Pünktchen und Anton
PÜNKTCHEN UND ANTON
Was für ein wunderbares Vergnügen: bunte Spazierstöcke rechts und links am Bühnenrand, ein Schrank mit knarzenden Türen, schräge Geräusche aus dem Off und als Krönung der Tangotanz der Dicken Berta. Das erste Kinderprogramm der neuen Spielzeit war ein frecher Spaß für kleine und große Zuschauer.
Schauspieler Sebastian Hofmüller und Musiker und Komponist Greulix Schrank haben aus Erich Kästners Kinderbuchklassiker „Pünktchen & Anton“ ein bezauberndes Live-Hörspiel gemacht, das dem angekündigten Abenteuercharakter in jeder Hinsicht gerecht wurde. Die Geschichte von der liebenswerten Fabrikantentochter Pünktchen und ihrem aufrechten Freund Anton, Sohn einer mittellosen Alleinerziehenden, hat heute weder von seinem Charme noch von seiner Sozialkritik verloren. Auch in der Gegenwart von I-Pod und Hartz 4 sind die sozialen Unterschiede, in denen Kinder aufwachsen, im Alltag sichtbar. Und genau wie zur Zeit, in der Kästners Roman spielt, sind heute Kinder viel schneller als Erwachsene bereit, eben diese sozialen Unterschiede angesichts von Werten wie Freundschaft, Aufrichtigkeit und Mut zu vergessen.
Das Abenteuer um Pünktchen und Anton und die bösen Machenschaften von Robert, dem Teufel, der Pünktchens Kindermädchen als Handlangerin für seine Einbrüche missbraucht, haben Sebastian Hofmüller und Greulix Schrank charmant zum Hörspiel aufbereitet. Dabei übernehmen beide sämtliche Rollen. Mal ist Greulix die in schönstem Wiener Dialekt Suppe servierende Dicke Berta und Sebastian der frech berlinernde und darin nicht auf den Mund gefallene Anton, mal ist Sebastian ein fröhlich beschwipstes Fräulein Andacht oder ein jovial lachender Herr Direktor und Greulix ein kesses Pünktchen. Dazwischen zaubern sie Geräusche, die in die Goldenen Zwanziger entführen und gleichzeitig die Gegenwart mit anklingen lassen. Eine winzige Kurbel-Drehleier und die Gitarre liefern den Sound der Berliner Straßen, ein Regenrohr schafft feuchtkalte Stimmung, eine Schallplatte bereitet Bertas Tango das Parkett, und mit Mundharmonika und Pfeifen wird die Titelmusik gestaltet. Alles klingt wie zufällig, wie aus dem Moment entstanden – und ist doch sorgfältig komponiert, arrangiert, inszeniert.
Die Hauptrolle in dem bezaubernden Kinder-Hörspiel spielt das Timing. Die Geschichte ist perfekt auf den Moment hin eingestrichen und umgesetzt. In der Spitzenküche würde es heißen: á la minute. Die Beilage zu diesem Gericht ist die liebevoll eingerichtete Atmosphäre der Live-Erzählung. Geräusche und Spieler-Tonfall greifen ineinander.  Genau darum hängen die Publikumskinder den beiden Künstlern an den Lippen: der Spannungsbogen hält, und die jungen Zuschauer werden ernst genommen in ihrem Anspruch auf die richtige Balance zwischen Komik und Abenteuer.
 
Sabine Zaplin, 27.09.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 27.09.2015 | © Werner Gruban