Nach(t)kritik
Coole Sicht – Schöner Verfall
Veranstaltung: Peter Untermaierhofer: S-T-A-L-K-E-R – Eine Fotoabenteuerreise in die Sperrzone von TschernobylStalker – das ist der Titel eines Filmes von Andrej Tarkowski, in dem ein Mann, der Stalker genannt wird, Menschen illegal in eine evakuierte und nun gesperrte Stadt, genannt die ZONE einschleust. Die ZONE ist ein verseuchtes Gebiet, tote Flüsse, vergiftete Luft – die Menschen sterben daran und wenn man den Film heute sieht, erstarrt man vor der Hellsichtigkeit, mit der Tarkovski die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sieben Jahre später vorweg genommen hat.
S.T.A.L.K.E.R. nennt nun auch Peter Untermaierhofer seine Ausstellung von Bildern, die er 2017 in der ebenfalls Zone genannten Region um Tschernobyl und die Stadt Prybjat unternommen hat. Aber der Begriff ist für ihn nicht mehr länger nur eine Reminiszenz an den Film Tarkowskis, es ist auch ein Verweis auf das gleichnamige Videospiel „Stalker – Shadow of Tschernobyl.“ Überhaupt zeigt sich Untermaierhofer als Kind seiner Generation – immer wieder nimmt er auf die Clip-Ästhetik und die Anmutung von Videospielen wie „Call of Duty“ Bezug.
Und so gerät sein Vortrag zur – in der Tat sehr beeindruckenden und verstörenden Ausstellung – zu einer Reise in die Welt unbedarfter Spätgeborener.
Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 war für die meisten Menschen in Europa, wenn nicht gar der Welt, eine Zeitenwende, ein Einschnitt, der Schluss machte mit dem unbedingten Glauben an den technischen Fortschritt. Tschernobyl, das war wie eine Weißblende im Bewusstsein der Unfehlbarkeit menschengemachten Fortschritts. Es war das deutliche Signal, dass wir nicht nur mit der Atomkraft die Büchse der Pandora geöffnet haben und dass wir, wenn wir so weitermachen, Gefahr laufen, uns alle zu vernichten. Tschernobyl hat Menschenmassen politisiert, hat sie später in Wackersdorf Sturm laufen lassen und hat den Gedanken daran, dass wir für unseren Energieverbrauch einen hohen Preis zahlen, endgültig manifestiert. Tschernobyl war – zugespitzt – die Geburtsstunde von Fridays for Future und Extinction Rebels. Fukushima war die Erinnerung daran, dass die Uhr seit 1986 beständig tickt. Noch immer gelten Pilze, Waldbeeren und Wildtiere in einigen Regionen im Süden Deutschlands als nuklear belastet.
Aber nichts davon findet sich in Untermaierhofers Vortrag. Hier geht es um ein paar junge Männer, die der morbiden Ästhetik von Lost Places verfallen sind. Es geht um die „Hammermotive“ und „megageilen Verfall“. Wir erfahren, wieviel Geld der Fotograf auf der Reise für Bier ausgegeben hat (20€) und dass er vor dem Trip in die Sperrzone die Powerbank vollgeladen hat. Das Grün der Bäume auf den Bildern stört ihn in seinem ästhetischen Empfinden, das nächste Mal käme er lieber im März, das kahle Braun korrespondiert dann mehr mit dem Rost der Stahlskelette oder den verfallenen Gitterbettchen in der Kinderstation des Krankenhauses.
Natürlich hat sich der Fotograf vorab informiert, über Strahlenwerte, aber auch die politische Situation in der Ukraine, bewegt hat ihn aber der Thrill, die Suche (und Sucht) nach einer Video-Spiel-Ästhetik im Real Life.
Aber vielleicht, so denkt sich die Rezensentin, ist das zu streng. Vielleicht muss man mit diesem unbedarften Blick, der sich nur mehr auf die Oberfläche richtet, sehen, um diese an der Oberfläche beeindruckenden Fotos machen zu können. Die Andere dann beim Betrachten mit Bedeutung füllen, jede/r für sich. Und erst dann die verlassenen Sporthallen, verstaubten Kindergasmasken als das lesen, was sie sind: traurige Zeugnisse menschlicher Hybris.
Die der Fotograf Untermaierhofer meisterlich in seinen Fotografien gebannt hat.
S.T.A.L.K.E.R. nennt nun auch Peter Untermaierhofer seine Ausstellung von Bildern, die er 2017 in der ebenfalls Zone genannten Region um Tschernobyl und die Stadt Prybjat unternommen hat. Aber der Begriff ist für ihn nicht mehr länger nur eine Reminiszenz an den Film Tarkowskis, es ist auch ein Verweis auf das gleichnamige Videospiel „Stalker – Shadow of Tschernobyl.“ Überhaupt zeigt sich Untermaierhofer als Kind seiner Generation – immer wieder nimmt er auf die Clip-Ästhetik und die Anmutung von Videospielen wie „Call of Duty“ Bezug.
Und so gerät sein Vortrag zur – in der Tat sehr beeindruckenden und verstörenden Ausstellung – zu einer Reise in die Welt unbedarfter Spätgeborener.
Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 war für die meisten Menschen in Europa, wenn nicht gar der Welt, eine Zeitenwende, ein Einschnitt, der Schluss machte mit dem unbedingten Glauben an den technischen Fortschritt. Tschernobyl, das war wie eine Weißblende im Bewusstsein der Unfehlbarkeit menschengemachten Fortschritts. Es war das deutliche Signal, dass wir nicht nur mit der Atomkraft die Büchse der Pandora geöffnet haben und dass wir, wenn wir so weitermachen, Gefahr laufen, uns alle zu vernichten. Tschernobyl hat Menschenmassen politisiert, hat sie später in Wackersdorf Sturm laufen lassen und hat den Gedanken daran, dass wir für unseren Energieverbrauch einen hohen Preis zahlen, endgültig manifestiert. Tschernobyl war – zugespitzt – die Geburtsstunde von Fridays for Future und Extinction Rebels. Fukushima war die Erinnerung daran, dass die Uhr seit 1986 beständig tickt. Noch immer gelten Pilze, Waldbeeren und Wildtiere in einigen Regionen im Süden Deutschlands als nuklear belastet.
Aber nichts davon findet sich in Untermaierhofers Vortrag. Hier geht es um ein paar junge Männer, die der morbiden Ästhetik von Lost Places verfallen sind. Es geht um die „Hammermotive“ und „megageilen Verfall“. Wir erfahren, wieviel Geld der Fotograf auf der Reise für Bier ausgegeben hat (20€) und dass er vor dem Trip in die Sperrzone die Powerbank vollgeladen hat. Das Grün der Bäume auf den Bildern stört ihn in seinem ästhetischen Empfinden, das nächste Mal käme er lieber im März, das kahle Braun korrespondiert dann mehr mit dem Rost der Stahlskelette oder den verfallenen Gitterbettchen in der Kinderstation des Krankenhauses.
Natürlich hat sich der Fotograf vorab informiert, über Strahlenwerte, aber auch die politische Situation in der Ukraine, bewegt hat ihn aber der Thrill, die Suche (und Sucht) nach einer Video-Spiel-Ästhetik im Real Life.
Aber vielleicht, so denkt sich die Rezensentin, ist das zu streng. Vielleicht muss man mit diesem unbedarften Blick, der sich nur mehr auf die Oberfläche richtet, sehen, um diese an der Oberfläche beeindruckenden Fotos machen zu können. Die Andere dann beim Betrachten mit Bedeutung füllen, jede/r für sich. Und erst dann die verlassenen Sporthallen, verstaubten Kindergasmasken als das lesen, was sie sind: traurige Zeugnisse menschlicher Hybris.
Die der Fotograf Untermaierhofer meisterlich in seinen Fotografien gebannt hat.
Tanja Weber, 29.11.2019
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.