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Nach(t)kritik

Do, 26.01.2023
20.00 Uhr

Dampflok

Veranstaltung: Axel und Torsten Zwingenberger: 50 Jahre Boogie Woogie Brothers

Der Abend ausverkauft, der Verkaufstisch mit den CDs, Platten und Büchern in der Pause umlagert wie bei einem Katholiken-Tag die Papst-Devotionalien und im bosco-Saal ein Publikum, das es kaum erwarten konnte, sich mit Applaus abzureagieren: Das Jubiläumskonzert von Axel und Torsten Zwingenberger unter dem Motto „50 Jahre Boogie Woogie Brothers“ hätte wohl nicht viel besser gelingen können – dabei sind die beiden ursprünglich Hamburger Jungs, Jahrgang 1955 (Axel) und 1959 (Torsten) mit „zusammen 100 Jahren Bühnenerfahrung“ (Zitat Axel) eigentlich längst an weltweit begeisterte Leute gewöhnt. Treten sie gemeinsam auf – was sie neben ihren jeweiligen Solo-Projekten regelmäßig tun – ergibt dies folglich die doppelte Portion Jazz-, Blues- und Boogie-Dynamik.

Kaum wird da in die Pianotasten bzw. zu den Drumsticks gegriffen, schon nimmt die musikalische „Dampflok“ an Tempo auf und ist nicht mehr bremsen: Diese bildhafte Entsprechung, durch ungezählte Stücke Symbol für das stampfend Vorwärtstreibende der Spielart Boogie, wird bei einer der ersten Nummern des Abends allein schon durch Torstens perkussiv-schnaufende Abfahrtsinzenierung zum Erlebnis. Und ist dann auch Axel am Klavier „ins Rollen“ gekommen, gibt es sowieso kein Halten mehr: Während seine linke Hand in metronomischer Exaktheit die Blues-Grundierung liefert, turnt die rechte durch die aberwitzigsten Melodiebögen und Girlanden, als ob sie die „Anweisung“, genau zum Achtel-Takt-Ende damit fertig zu sein, nicht so recht ernst nehmen und rasch noch ein paar Geschichten erzählen wolle. Doch Axel, der Zauberer, schafft die Rückkehr ins Schema zuverlässig wie ein Uhrwerk – jeder Zug läuft hier pünktlich ein, mit Torsten als Fahrplan-Gestalter: Noch jemand zugestiegen?

Die Abfolge aus rund 20 teils musikhistorisch bedeutsamen Boogie-Nummern ist nicht nur ein Who-is-who der Literatur, sondern mitunter auch das technisch Schwierigste, was sich für zehn Finger am Klavier ersinnen bzw. komponieren und arrangieren lässt. Einen Scott-Joplin-Klassiker wie „The Entertainer“ (endgültig berühmt geworden durch den Film „Der Clou“ von 1974) legen sich Axel und Torsten auf ihre eigene Art zurecht, gegenüber der Originalfassung noch ein Stück verfeinert, noch nuancenreicher.

Dicht an dicht reiht das Brüderpaar die Perlen dieser Boogie-Schnur, und wer befürchtet hatte, das Piano könnte allzu sehr dominieren, wurde immer wieder aufs Angenehmste überrascht, welches Eigenleben Torsten Zwingenbergers Percussion zu entwickeln vermag – der knapp zehnminütige „afrikanische“ Drumming-Ausflug im zweiten Teil des Abends war eine wahre Wundertüte an Dschungel-Geräuschen. In wohltuendem Wechsel wurden rasende Tempo-Stücke und eher im „Schlenderschritt“ vorgetragene Pianoblues-Beispiele präsentiert, auch wenn Axel an den aufgewühlten Publikumsreaktionen bald merkte, dass Schnelligkeit sehr gut ankam. Das Markenzeichen beider Brüder ist freilich ihre Akkuratesse, selbst noch im wildesten Drive. Axel Zwingenberger schafft es sogar während einer solchen Disziplin fordernden Kraft-Nummer, dem Volk zuzuwinken, als hätte er eine dritte Hand am Start.

Pretiosen wie Hershel Thomas‘ „Suitcase Blues“ von 1925, laut Axel augenzwinkernd „mal ohne, mal mit Gepäckträger“ dargeboten, sprich unterschiedlich arrangiert, gehörten sicherlich zu den Höhepunkten. Interessant war dann Torstens Solo-Drumming-Passage im Stück „Mo A Beat“ (dem Ort der Berliner Jubiläumseinspielung zum 25.Bühnen-Jubiläum der Brüder gewidmet): Sie hörte sich streckenweise an wie der irrsinnige Zwischenteil aus „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin.

Und hatte man sich als Zuhörer so richtig eingegroovt, neigte sich der Abend mit diesen Bluesbrothers schon wieder dem Ende zu – zum „Fünfundsiebzigsten“ kommen sie mit ihrer Boogie-Dampflok sicher wieder vorbei! 

Thomas Lochte, 27.01.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 26.01.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.