Nach(t)kritik
Das Leben ist glatt wie ein Aal
Veranstaltung: Theater an der Ruhr: "Peer Gynt" von Henrik Ibsen„Du lügst“, sagt die Mutter. Jede Mutter kann das: ihren Sohn entlarven. Da kann er noch so lange sagen, „ich lüge nicht“. Sie weiß es besser. Bei dem Sohn handelt es sich in diesem Fall um Peer Gynt aus Henrik Ibsens gleichnamigem Drama. Und der erzählt eine schillernde, mitreißende Geschichte von einer atemberaubenden Jagd und seinem mutigen Erlegen eines Bocks. Die Mutter kann das nicht blenden, „du bist und bleibst ein Großmaul“. Peer will was sein, will was werden, König oder Kaiser am besten. Er ist ein Gernegroß, ein Träumer, ein Phantast. Und schon legt er den Kopf in den Nacken und sieht mit verklärtem Lächeln im Gesicht in der vorüberziehenden Wolke am Himmel ein Pferd.
Peer wird von Maria Neumann gespielt in dieser Anfangsszene, die Mutter von Roberto Ciulli. Aber schon in der nächsten Szene haben sie die Rollen getauscht, dann ist er Peer und sie alles andere. Die beiden Schauspieler vom Mühlheimer Theater an der Ruhr haben sich Ibsens Peer Gynt vorgeknöpft und den komplexen Fünfakter zu einem 90-minütigen Zweipersonenstück destilliert.
Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch mit zwei Stühlen - das ist der farblos gehaltene Rahmen, in dem sich Peer Gynts Leben in Schlaglichtern aufspannt. Roberto Ciulli gibt ihn, den Peer, mit schlohweißem, schulterlangem Haar, unaufgeregt, manchmal gar ein wenig müde. Die Dynamische in dem eingespielten Duo ist Maria Neumann, die hingebungsvoll mal die Mutter, mal die zu Peers Füßen kriechende, verschmähte Liebe oder den Teufel gibt. Als Requisitenfundus dient eine einzige Schublade im Tisch – Neumann und Ciulli sind sich selbst genug.
Peer hat großes vorgehabt im Leben; „hoch hinaus will ich“, höher als alle Könige. Doch irgendwie ist es anders gelaufen. Traumsequenzen und Wirklichkeit vermischen sich. Die Geister der Vergangenheit holen ihn ein. Einmal wird es bunt auf der Bühne, dann öffnet sich der Schrank im Rotlicht und wird zur Stripteasebühne, auf der eine vergangene Liebschaft Peers lasziv die Hüllen fallen lässt. Leonard Cohen singt dazu „Dance me to the end of love“. Im nächsten Moment ist alles wieder schwarz-weiß und der Schrank leer wie nach der Pointe eines Zaubertricks. Auf der verwirrenden Suche nach dem Gyntschen Ich bleibt der Zuschauer stellenweise etwas verloren zurück an diesem Abend. Zu unsichtbar ist der rote Faden. Die Szenen reihen sich wie dadaistische Bilder aneinander.
Nach dem Tod der Mutter muss Peer weg, zum Meer, bis nach Amerika. Ein gefaltetes Papierboot stellt die Reise dar. Durch Sklavenhandel ist er reich geworden, er schmückt sich mit goldenen Ringen, will Kaiser von der ganzen Welt werden. Im nächsten Moment denkt er, Prophet - das wäre doch auch was für ihn. Peer ist ein Suchender, der nie ankommt, der in seinem Streben nach Bedeutung zu leben vergisst. Die Zwiebel wird zur Metapher für sein Scheitern: Schicht um Schicht fällt die Hülle - das gierige Goldgräber-Ich, der im Luxus lebende Weltmann – alles ist nur Fassade. Doch kommt auch irgendwann der Kern ans Licht, fragt Peer Gynt. Das Leben ist glatt wie ein Aal, wenn Du versuchst es zu fassen, entgleitet es und Du hast nichts in der Hand, stellt er in Zweisprache mit dem Teufel fest und muss ein trauriges Resümee ziehen: „Ich war tot, lange vor meinem Sterben“. Es ist der Schluss dieses Peer Gynt-Destillats und das Ende eines kurzen Theaterabends. Nach nur 75 Minuten sitzen die beiden wieder vereint am Tisch, legen die Köpfe auf die Tischplatte und halten sich an den Händen – genauso wie das Stück begonnen hat.
Peer wird von Maria Neumann gespielt in dieser Anfangsszene, die Mutter von Roberto Ciulli. Aber schon in der nächsten Szene haben sie die Rollen getauscht, dann ist er Peer und sie alles andere. Die beiden Schauspieler vom Mühlheimer Theater an der Ruhr haben sich Ibsens Peer Gynt vorgeknöpft und den komplexen Fünfakter zu einem 90-minütigen Zweipersonenstück destilliert.
Ein Bett, ein Schrank, ein Tisch mit zwei Stühlen - das ist der farblos gehaltene Rahmen, in dem sich Peer Gynts Leben in Schlaglichtern aufspannt. Roberto Ciulli gibt ihn, den Peer, mit schlohweißem, schulterlangem Haar, unaufgeregt, manchmal gar ein wenig müde. Die Dynamische in dem eingespielten Duo ist Maria Neumann, die hingebungsvoll mal die Mutter, mal die zu Peers Füßen kriechende, verschmähte Liebe oder den Teufel gibt. Als Requisitenfundus dient eine einzige Schublade im Tisch – Neumann und Ciulli sind sich selbst genug.
Peer hat großes vorgehabt im Leben; „hoch hinaus will ich“, höher als alle Könige. Doch irgendwie ist es anders gelaufen. Traumsequenzen und Wirklichkeit vermischen sich. Die Geister der Vergangenheit holen ihn ein. Einmal wird es bunt auf der Bühne, dann öffnet sich der Schrank im Rotlicht und wird zur Stripteasebühne, auf der eine vergangene Liebschaft Peers lasziv die Hüllen fallen lässt. Leonard Cohen singt dazu „Dance me to the end of love“. Im nächsten Moment ist alles wieder schwarz-weiß und der Schrank leer wie nach der Pointe eines Zaubertricks. Auf der verwirrenden Suche nach dem Gyntschen Ich bleibt der Zuschauer stellenweise etwas verloren zurück an diesem Abend. Zu unsichtbar ist der rote Faden. Die Szenen reihen sich wie dadaistische Bilder aneinander.
Nach dem Tod der Mutter muss Peer weg, zum Meer, bis nach Amerika. Ein gefaltetes Papierboot stellt die Reise dar. Durch Sklavenhandel ist er reich geworden, er schmückt sich mit goldenen Ringen, will Kaiser von der ganzen Welt werden. Im nächsten Moment denkt er, Prophet - das wäre doch auch was für ihn. Peer ist ein Suchender, der nie ankommt, der in seinem Streben nach Bedeutung zu leben vergisst. Die Zwiebel wird zur Metapher für sein Scheitern: Schicht um Schicht fällt die Hülle - das gierige Goldgräber-Ich, der im Luxus lebende Weltmann – alles ist nur Fassade. Doch kommt auch irgendwann der Kern ans Licht, fragt Peer Gynt. Das Leben ist glatt wie ein Aal, wenn Du versuchst es zu fassen, entgleitet es und Du hast nichts in der Hand, stellt er in Zweisprache mit dem Teufel fest und muss ein trauriges Resümee ziehen: „Ich war tot, lange vor meinem Sterben“. Es ist der Schluss dieses Peer Gynt-Destillats und das Ende eines kurzen Theaterabends. Nach nur 75 Minuten sitzen die beiden wieder vereint am Tisch, legen die Köpfe auf die Tischplatte und halten sich an den Händen – genauso wie das Stück begonnen hat.
Annette Jäger, 14.10.2017
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.