Nach(t)kritik
Das wollte ich gerade fragen
Veranstaltung: Matthias Helwig: Kino für GautingDiesmal war so einiges anders: „Zum Tee bei Sabine“ gab es zwar wie immer auch den traditionellen Tee, es standen aber auch noch vier Flaschen Mineralwasser auf zwei Tischen – als wollten sie den sprudelnden Redefluss des „Tee“-Gasts Matthias Helwig ankündigen. Wegen des großen Andrangs an diesem Sonntagnachmittag war man sogar kurzfristig in den großen Bosco-Saal umgezogen, denn trotz des letzten Wies'n-Wochenendes und trotz des fast zeitgleich laufenden Bundesligagipfeltreffens „Bayern München – Borussia Dortmund“ wollten offenbar viele Leute etwas über Helwigs Gautinger Kino-Pläne erfahren. Und so wurde es weniger ein gesprächsweise erschlossenes Persönlichkeitsprofil als eine muntere Monolog-Stunde über die Zukunft des Kinos in Allgemeinen und Besonderen: Sabine Zaplin hatte eigentlich Fragen stellen wollen, aber der dynamische und bestens gelaunte Matthias Helwig hatte die meistens schon bei seinem vorausgehenden Solo beantwortet.
„Das wollte ich gerade fragen“, blieb Zaplin meist noch anzumerken, da war ihr sprudelnder Gast schon wieder voran geeilt. Helwigs Werdegang war dann auch relativ rasch abgearbeitet: Vom früh verstorbenen Vater hatte der Gilchinger offenbar die Affinität zu Film und Kino geerbt – es sei ein „verbindendes Element gewesen“, so Helwig, gemeinsam Filme zu schauen. Anfang der achtziger Jahre, mit 22, bewarb er sich dann an der Münchner Filmhochschule (es gab damals nur zwei solche Einrichtungen in Deutschland) und wurde prompt als einer von nur 15 Aspiranten unter 400 Bewer-bern angenommen: „Die Professorenrunde fragte mich damals, was ich vorhabe, und ich sagte, dass ich Filmregisseur und Schriftsteller werden wolle – da haben die gelacht“, erinnert sich Helwig - er hätte nie gedacht, dass sie ausgerechnet ihn nehmen würden.
Als er dann seinen Abschlussfilm im einstigen Gilchinger Film-Casino zeigen wollte, kam das dortige Kino ins Spiel: Der damalige Betreiber verlangte zwar so viel Geld für die Vorstellung, dass Helwig seine Abschlussarbeit in einer örtlichen Schule vorführen musste, doch machte er dem jungen Absolventen auch das Angebot, als Filmvorführer bei ihm anzufangen. Und 1986 kam dann gänzlich unverhofft der Moment, das Gilchinger Kino selber zu übernehmen: „Das wollte keiner haben, weil es am schlechtesten lief in der ganzen Kette.“ Helwigs Familie hielt Kriegsrat, denn es ging ja auch darum, „was aus dem jungen Mann denn werden soll“, blickt der Tee-Gast zurück. Und man traf eine Entscheidung, die er bis heute wohl nicht bereut hat: „Am besten, man tut das, was man gerne macht!“, sagt Helwig heute. Eigentlich sei er ja von der künstlerischen Seite gekommen und nicht von der betriebswirtschaftlichen wie viele Einsteiger in der Filmbranche. Sein „Guru“ als Regisseur war der Russe Andrei Tarkowski („Solaris“), seine eigene Filmsprache ambitioniert: „Wenn du von Hollywood träumst, kannst du solche Filme nicht machen“, sagt Helwig und scheint sowohl Tarkowski als auch seinen eigenen Abschlussfilm zu meinen. Mit dem Gilchinger Kino (das er später wieder aufgeben sollte) machte Helwig seine ersten Erfahrungen als Betreiber eines Lichtspielhauses – und entwickelte nach und nach jenes so überaus erfolgreiche Programmkino-Konzept, das mehrfach ausgezeichnet wurde: Helwig richtete im ehemaligen „Portobello“-Bau in Starnberg das „Breitwand“-Kino ein, ein weiteres im Seefelder Schloss, und als drittes übernahm er das vor sich hin dü,pelnde Kino Herrsching – mit stetig wachsendem Erfolg. Doch gerade weil das Diktat der Verleiher immer wieder die Gefahr einer Kino-Monokultur mit sich brachte, entschloss sich Helwig 2007 zum nächsten großen Schritt: Mit dem Fünf-Seen-Film-Festival wollte er die Plattform schaffen, dem Publikum der Region über das Mainstream-Angebot hinaus qualitativ Hochwertiges zu zeigen: „Die Perlen findet du auf den Festivals“, weiß der Kino-Macher aus eige-ner Erfahrung. Seit langen Jahren besucht er regelämäßig die Festivals in Venedig, Berlin oder Solothurn, um solche „Perlen“ zu entdecken. „Film ist das besondere Bild, und Kino ist der Tempel des besonderen Bildes“, hat er für sich definiert. Mit dem FSFF gelang ein Quantensprung, der den ganzen Raum Starnberg cineastisch auf die Landkarte brachte – das Festival erzielt jedes Jahr neue Besucherrekorde, „da muss ich aufpassen, wohin das wächst“, räumt Helwig ein.
Gerade entsteht unter seiner Regie am Gautinger Bahnhof ein weiterer Kino-Komplex mit vier Sälen, und das Bosco-Publikum war höchst gespannt darauf, wie Helwigs Film-Angebot aussehen wird: „Wollte ich auch gerade fragen“, sagt Gastgeberin Zaplin, als dessen Redefluss wieder einmal alles vorweg nimmt: „Ich halte sehr viel von Gauting“, macht der Gilchinger gleich mal die Honneurs und erntet freundliches Hallo dafür. Ja, er werde das Programm-Kino auch hierher tragen, kündigt Helwig an: „Es wird eine Mischung aus Seefeld und Starnberg.“ Damit umschreibt er das Bedienen eines „breiten Publikumsgeschmacks“ (Starnberg) bei gleichzeitigem Angebot hochkarätiger Filme (wie eher in Seefeld), denn Geld verdienen muss so ein persönlich eher zur Qualität neigender Kinobetreiber ja auch noch. Und, selbstverständlich, werde er „alle großen Filme in Gauting zeigen“, die besonders das junge Publikum ansprechen. Ausschließlich werde es solche Filme aber nicht geben können, weil die Verleiher ja verlangen, dass ihre Filme in sämtliche Vorstellungen laufen: „Das würde die übrigen Filme unmöglich machen.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Schulen werde er in Gauting suchen („obwohl zunehmend schwierig“), so Helwig, und die Sonderreihen mit Filmgespräch soll es auch in Gauting geben. „Ich halte nichts von Konkurrenzdenken, man soll Synergien nutzen“, findet der Kino- und Festivalmacher, der seit langem auch mit der Agenda 21, mit Volkshochschulen und Akademien kooperiert und demächst ein Schulfilm-Festival anbietet. Das Kino-Geschäft sei nicht gerade einfacher geworden, deutet Helwig an: Zu viele Leute, „die unbedingt Filme machen wollen“, verlassen als Absolventen die inzwischen zahlreichen Filmhochschulen, da falle es schwer, den Überblick über das ausufernde Filmangebot zu behalten: Neun bis 14 Filme pro Woche laufen alleine in München an, der Markt sei da. „Und längst nicht alle hochwertigen Filme schaffen es überhaupt in die Kinos“, bedauert Helwig, denn zwischen Filmemachern und Publikum stünden nun mal die Verleiher mit ihrem berechtigten Umsatz-Interesse. Das am schwierigsten zu gewinnende Publikum sei übrigens das junge, weiß Helwig: „Die streamen alles, und gehen nur für die ganz großen Filme noch ins Kino.“ Der traurige Durchschnitt aller Kinogänger liege heute bei nur 1,3 Besuchen im Jahr.
Ob Gauting denn schon ab 2016 Bestandteil und Schauplatz des Filmfestivals werde, fragte das Publikum: Das könne er nicht versprechen, entgegnet Helwig, denn eine Kino-Eröffnung mitten im Sommer und gleich mit einem Festival sei schwierig. „Das braucht einen gewissen Vorlauf, die Dinge müssen sich erst einspielen.“ Mit der durchaus wagemutigen Idee, gleich vier Kinosäle zu etablieren, setzt Helwig zweifellos auf das schon immer kulturell aufgeschlossene Publikum der Würmtal-Gemeinde. „Jeder Bauherr weiß ja nicht, wie der Winter wird“, sagt der Gilchinger und schlägt vor, man solle ihn im März noch mal fragen, dann könne er Konkreteres berichten, was den Eröffnungstermin angeht. Für die Kino-Reihe im Bosco könnte Helwigs „Ankunft“ in Gauting durchaus Veränderungen bringen: Ob als befruchtendes Element oder als starke Konkurrenz, muss sich erst zeigen. Der etwas „monologische“ Dialog beim „Tee“, er deutete schon mal die Richtung an.
„Das wollte ich gerade fragen“, blieb Zaplin meist noch anzumerken, da war ihr sprudelnder Gast schon wieder voran geeilt. Helwigs Werdegang war dann auch relativ rasch abgearbeitet: Vom früh verstorbenen Vater hatte der Gilchinger offenbar die Affinität zu Film und Kino geerbt – es sei ein „verbindendes Element gewesen“, so Helwig, gemeinsam Filme zu schauen. Anfang der achtziger Jahre, mit 22, bewarb er sich dann an der Münchner Filmhochschule (es gab damals nur zwei solche Einrichtungen in Deutschland) und wurde prompt als einer von nur 15 Aspiranten unter 400 Bewer-bern angenommen: „Die Professorenrunde fragte mich damals, was ich vorhabe, und ich sagte, dass ich Filmregisseur und Schriftsteller werden wolle – da haben die gelacht“, erinnert sich Helwig - er hätte nie gedacht, dass sie ausgerechnet ihn nehmen würden.
Als er dann seinen Abschlussfilm im einstigen Gilchinger Film-Casino zeigen wollte, kam das dortige Kino ins Spiel: Der damalige Betreiber verlangte zwar so viel Geld für die Vorstellung, dass Helwig seine Abschlussarbeit in einer örtlichen Schule vorführen musste, doch machte er dem jungen Absolventen auch das Angebot, als Filmvorführer bei ihm anzufangen. Und 1986 kam dann gänzlich unverhofft der Moment, das Gilchinger Kino selber zu übernehmen: „Das wollte keiner haben, weil es am schlechtesten lief in der ganzen Kette.“ Helwigs Familie hielt Kriegsrat, denn es ging ja auch darum, „was aus dem jungen Mann denn werden soll“, blickt der Tee-Gast zurück. Und man traf eine Entscheidung, die er bis heute wohl nicht bereut hat: „Am besten, man tut das, was man gerne macht!“, sagt Helwig heute. Eigentlich sei er ja von der künstlerischen Seite gekommen und nicht von der betriebswirtschaftlichen wie viele Einsteiger in der Filmbranche. Sein „Guru“ als Regisseur war der Russe Andrei Tarkowski („Solaris“), seine eigene Filmsprache ambitioniert: „Wenn du von Hollywood träumst, kannst du solche Filme nicht machen“, sagt Helwig und scheint sowohl Tarkowski als auch seinen eigenen Abschlussfilm zu meinen. Mit dem Gilchinger Kino (das er später wieder aufgeben sollte) machte Helwig seine ersten Erfahrungen als Betreiber eines Lichtspielhauses – und entwickelte nach und nach jenes so überaus erfolgreiche Programmkino-Konzept, das mehrfach ausgezeichnet wurde: Helwig richtete im ehemaligen „Portobello“-Bau in Starnberg das „Breitwand“-Kino ein, ein weiteres im Seefelder Schloss, und als drittes übernahm er das vor sich hin dü,pelnde Kino Herrsching – mit stetig wachsendem Erfolg. Doch gerade weil das Diktat der Verleiher immer wieder die Gefahr einer Kino-Monokultur mit sich brachte, entschloss sich Helwig 2007 zum nächsten großen Schritt: Mit dem Fünf-Seen-Film-Festival wollte er die Plattform schaffen, dem Publikum der Region über das Mainstream-Angebot hinaus qualitativ Hochwertiges zu zeigen: „Die Perlen findet du auf den Festivals“, weiß der Kino-Macher aus eige-ner Erfahrung. Seit langen Jahren besucht er regelämäßig die Festivals in Venedig, Berlin oder Solothurn, um solche „Perlen“ zu entdecken. „Film ist das besondere Bild, und Kino ist der Tempel des besonderen Bildes“, hat er für sich definiert. Mit dem FSFF gelang ein Quantensprung, der den ganzen Raum Starnberg cineastisch auf die Landkarte brachte – das Festival erzielt jedes Jahr neue Besucherrekorde, „da muss ich aufpassen, wohin das wächst“, räumt Helwig ein.
Gerade entsteht unter seiner Regie am Gautinger Bahnhof ein weiterer Kino-Komplex mit vier Sälen, und das Bosco-Publikum war höchst gespannt darauf, wie Helwigs Film-Angebot aussehen wird: „Wollte ich auch gerade fragen“, sagt Gastgeberin Zaplin, als dessen Redefluss wieder einmal alles vorweg nimmt: „Ich halte sehr viel von Gauting“, macht der Gilchinger gleich mal die Honneurs und erntet freundliches Hallo dafür. Ja, er werde das Programm-Kino auch hierher tragen, kündigt Helwig an: „Es wird eine Mischung aus Seefeld und Starnberg.“ Damit umschreibt er das Bedienen eines „breiten Publikumsgeschmacks“ (Starnberg) bei gleichzeitigem Angebot hochkarätiger Filme (wie eher in Seefeld), denn Geld verdienen muss so ein persönlich eher zur Qualität neigender Kinobetreiber ja auch noch. Und, selbstverständlich, werde er „alle großen Filme in Gauting zeigen“, die besonders das junge Publikum ansprechen. Ausschließlich werde es solche Filme aber nicht geben können, weil die Verleiher ja verlangen, dass ihre Filme in sämtliche Vorstellungen laufen: „Das würde die übrigen Filme unmöglich machen.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Schulen werde er in Gauting suchen („obwohl zunehmend schwierig“), so Helwig, und die Sonderreihen mit Filmgespräch soll es auch in Gauting geben. „Ich halte nichts von Konkurrenzdenken, man soll Synergien nutzen“, findet der Kino- und Festivalmacher, der seit langem auch mit der Agenda 21, mit Volkshochschulen und Akademien kooperiert und demächst ein Schulfilm-Festival anbietet. Das Kino-Geschäft sei nicht gerade einfacher geworden, deutet Helwig an: Zu viele Leute, „die unbedingt Filme machen wollen“, verlassen als Absolventen die inzwischen zahlreichen Filmhochschulen, da falle es schwer, den Überblick über das ausufernde Filmangebot zu behalten: Neun bis 14 Filme pro Woche laufen alleine in München an, der Markt sei da. „Und längst nicht alle hochwertigen Filme schaffen es überhaupt in die Kinos“, bedauert Helwig, denn zwischen Filmemachern und Publikum stünden nun mal die Verleiher mit ihrem berechtigten Umsatz-Interesse. Das am schwierigsten zu gewinnende Publikum sei übrigens das junge, weiß Helwig: „Die streamen alles, und gehen nur für die ganz großen Filme noch ins Kino.“ Der traurige Durchschnitt aller Kinogänger liege heute bei nur 1,3 Besuchen im Jahr.
Ob Gauting denn schon ab 2016 Bestandteil und Schauplatz des Filmfestivals werde, fragte das Publikum: Das könne er nicht versprechen, entgegnet Helwig, denn eine Kino-Eröffnung mitten im Sommer und gleich mit einem Festival sei schwierig. „Das braucht einen gewissen Vorlauf, die Dinge müssen sich erst einspielen.“ Mit der durchaus wagemutigen Idee, gleich vier Kinosäle zu etablieren, setzt Helwig zweifellos auf das schon immer kulturell aufgeschlossene Publikum der Würmtal-Gemeinde. „Jeder Bauherr weiß ja nicht, wie der Winter wird“, sagt der Gilchinger und schlägt vor, man solle ihn im März noch mal fragen, dann könne er Konkreteres berichten, was den Eröffnungstermin angeht. Für die Kino-Reihe im Bosco könnte Helwigs „Ankunft“ in Gauting durchaus Veränderungen bringen: Ob als befruchtendes Element oder als starke Konkurrenz, muss sich erst zeigen. Der etwas „monologische“ Dialog beim „Tee“, er deutete schon mal die Richtung an.
Thomas Lochte, 05.10.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.