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Nach(t)kritik

Fr, 15.09.2017
19:00 Uhr

Der Blick für das Schöne im Unschönen

Veranstaltung: Sophie Image: Kontraste

Es ist die stille Ästhetik, durch die sich diese Bilder auszeichnen, und es ist der Blick der Fotografin, der scheinbar Banales, eigentlich Unschönes oder einfach nur Strukturhaftes ins Zentrum eines Bildes rückt. Das Ungewöhnlichste an der Ausstellung „Kontraste“ aber ist wohl das Alter der Fotografin: Mit 17 Jahren hat die Gautingerin Sophie Linckersdorff, die unter dem Künstlernamen „Sophie Image“ ausstellt, bereits zwei regionale Fotowettbewerbe gewonnen und eine erste Einzelausstellung hinter sich – jetzt zeigt sie ihre Arbeiten zur Spielzeiteröffnung im Bosco-Foyer. 

Fotografieren, so könnte man meinen, ist heutzutage keine Kunst mehr. Der Medienphilosoph Vilém Flusser bescheinigte uns schon vor dreißig Jahren eine „apparatische Sichtweise“, einen Kamerablick: Wir nehmen die Welt wahr, als blickten wir durch eine Kamera, sind ständig auf der Suche nach Motiven. Das trifft für die jüngeren Generationen noch in weitaus größerem Maß zu: Bei ihnen kommt zum Kamerablick auch noch der einstudierte „Selfie-Blick“, manche junge Mädchen benehmen sich, als wäre das ganze Leben ein Foto-Shooting.

Und gerade das macht die Bilder von „Sophie Image“ umso außergewöhnlicher: Vor zwei Jahren bekam die Gymnasiastin eine kleine Digitalkamera geschenkt, seither fotografiert sie auf Reisen mit ihren Eltern oder einfach in München, in der Oldtimer-Flugwerft in Oberschleißheim etwa oder an der Trabrennbahn in Daglfing. Für ein verlassenes Fabrikgelände in Aubing brauchte sie nicht nur einen Chauffeur, sondern auch gleich einen Bodyguard. „Das ist eigentlich das Schwierigste, dass man an manche Orte nicht alleine hinkommt und auch als Mädchen dort nicht alleine unterwegs sein kann“, erzählt sie. Und wenn niemand Zeit hat, sie auf ihren Fototouren zu begleiten, dann nimmt sie zumindest den Hund als Beschützer mit. Sieht man einmal von der finanziellen Unterstützung bei der Realisierung der Ausstellung ab, dann braucht sie keine Unterstützung und erst recht keine Beratung: Sie kommt ohne ein Bildbearbeitungsprogramm aus und fotografiert, was ihr gefällt. Zuweilen macht sie aus den ursprünglich farbigen Aufnahmen Schwarzweißbilder, manchmal dreht sie nur ein bisschen an den Farben und natürlich weiß sie auch, wie man Kontraste verstärkt – so wie es vermutlich alle ihre Freundinnen am Handy auch machen. Mit dem Unterschied freilich, dass die Bilder von „Sophie Image“ mit dem üblichen Posing und den üblichen Sonnenuntergängen einfach gar nichts zu tun haben. 

Während nun die Schriftzüge auf den alten Propellermaschinen in der Flugwerft, die altmodische Lichtreklame an der Trabrennbahn oder das Buster-Keaton-Plakat an einem verlassenen Ladengeschäft durch ihre geradezu nostalgische Retro-Anmutung bezaubern, das zugemauerte Kirchenportal in Korsika, die Schatten der Hackerbrücke oder der Blick in eine marode Fabrikhalle in München stellen ein besonderes Gespür für architektonische Details und rhythmische Anordnungen im Bild unter Beweis. Bei der Fensterwand im Prager Veitsdom, wo ein Baugerüst die Motive der bunten Glasscheiben verstellt, unterbricht und zugleich rhythmisiert und in Szene setzt, denkt man bereits an große Architekturfotografie. Windräder und Stromleitungen, Fabrikschlote und riesige Graffitis, ein paar Ruder am nebelgrauen Strand und ein paar alte Maschinen – all das macht die junge Fotografin zu beeindruckenden und zugleich leisen, manchmal melancholisch-schönen Inszenierungen.

Katja Sebald, 16.09.2017


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 15.09.2017 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.