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Nach(t)kritik

Mi, 22.02.2017
16.00 Uhr

Der größte Spiegel der Welt

Veranstaltung: Herbert & Mimi: Allein daheim!

„Allein daheim“ ist das Paradies auf Erden für Kinder und der SuperGAU für deren Eltern. Misstrauen ist das Mindeste, was die so scheinbar harmlose Frage von Teenagern nach dem nächsten „Sturmfrei“ bei deren Eltern auslöst. Doch solange hinterher wieder aufgeräumt wird, kann „Allein daheim“ eine exzellente Schule hinsichtlich des Erwerbs sozialer Kompetenzen sein.

Genau das beweist das Innsbrucker Clowns-Duo HERBERT & MIMI alias Helga Jud und Manfred Unterluggauer, die mit ihrem Kinderstück „Allein daheim“ heute ein Publikum zwischen fünf und fünfzig zum Toben brachten.

Ein XXXL-Stuhl steht auf der Bühne, gähnend tritt Mimi im rosa Strampler auf, eine Decke hinter sich herziehend. Wenig später folgt Herbert, noch herzzerreißender gähnend, Teddy unterm Arm. Zunächst versuchen beide, den Stuhl zu erobern, um allein auf der Sitzfläche noch ein bisschen weiter zu schlummern. Bald schon wird ein Spiel daraus: wer ist als erster oben auf dem Stuhl? Natürlich gewinnt Mimi, aufgeweckter und gewitzter lässt sie bald das Publikum mitzählen, wie oft sie schon gewonnen hat. Sie verfeinert das Spiel so lange, bis es Herbert zu bunt wird und er mit Putzfeudel, Schrubber und Eimer lieber Ritter spielt. Doch auch hier mischt Mimi sich ein: ein Ritter müsse erst zum ebensolchen geschlagen werden, erklärt sie und denkt sich Mutproben für den armen Herbert aus. Daraus entsteht ein wunderbares Katz-und-Maus-Spiel, bei dem das Erschrecken sich munter abwechselt. Die Krönung ist schließlich Mimi als Königin vor dem größten Spiegel der Welt, der aus dem gesamten Publikum besteht - das natürlich begeistert und lautstark mitmacht.

Die Grundmotive des „Allein daheim“ sind die Angst und die Lust, die beide mit den Mitteln phantasievoller Clownerie hier frech und mit großer Spiellust auf die Bühne gebracht werden. Die Spiellust ist rasch auf der Seite der Zuschauerkinder, die schnell geschlechtsspezifisch Partei ergreifen, konstruktive Vorschläge machen („Du musst dir schönere Haare machen als Königin“) und erst, als Mimi eine Papptafel mit dem Wort „Ende“ darauf auf den großen Stuhl stellt, feststellen, dass man allein daheim weder Angst haben noch das ganze angerichtete Chaos am Ende der Mama überlassen muss: ein Stuhl, ein Mantel, ein Besen sind ein Schloss, eine Wand, ein Pferd - und ganz schnell wieder aufgeräumt. Angst machen nur die elektronischen Babysitter. So ein Theater wie dieses dagegen macht Lust aufs Selber Spielen.

Sabine Zaplin, 22.02.2017


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Mi, 22.02.2017 | © Theaterforum Gauting