Nach(t)kritik
Der Kuckuck und der Distelfink
Veranstaltung: Heinrich Klug & Münchner Philharmoniker: Vivaldi - Die JahreszeitenAntonio Vivaldi ist wie kaum ein anderer Komponist ganz wunderbar geeignet, Kinder an klassische Musik heranzuführen. Schließlich hat er selber als Lehrer gearbeitet, hat mit Kindern gearbeitet. Und er hat mit seiner Musik sehr farbige Geschichten erzählt. Heinrich Klug, der Erfinder und Gestalter der Reihe „Kinderkonzerte der Münchner Philharmoniker“, ist ebenfalls ein wunderbarer Geschichtenerzähler - wie, das hat er an diesem Sonntagnachmittag einmal mehr bewiesen. Da fand im bosco die Premiere des neuesten Kinderkonzertes statt: „Die Jahreszeiten“ von Vivaldi.
Es begann mit dem „Markenzeichen“ der Reihe: „Einen guten Nachmittag“, wünschte Klug singend, und das Publikum - Kinder wie Eltern - antwortete singend: „Einen guten Nachmittag“ (inzwischen sitzen hier mehrere Generationen von Kinderkonzertbesuchern, die mit Heinrich Klug quasi musikalisch groß geworden sind und nun mit den eigenen Kindern da sind). Im Gefolge des einstigen Solo-Cellisten der Münchner Philharmoniker waren Preisträger von „Jugend musiziert“, die hier beim Kinderkonzert - selber im Alter der zuhörenden Kinder, vor allem die erst zehnjährige Clara Shen - höchst virtuos und mit allergrößter Spielfreude (die sich technisch auf´s Feinste widerspiegelte) die Solopartien übernahmen.
Wie man es von Heinrich Klug gewohnt ist, erklärte er auch hier ebenso amüsant wie charmant die musikalischen Motive und den Aufbau des Werkes, auf kinngerechte Weise. Das Vogelgezwitscher im „Frühling“ oder das Rascheln des Grases im Wind, der Kuckuck und der Distelfink im „Sommer, die Jagdhörner im „Herbst“ und das Bibbern und Zittern der Schlittschuhläufer im „Winter“ - alles wurde einmal kurz beleuchtet und von den Musikerkindern auf dem Silbertablett serviert.
Doch die Bilder Vivaldis wurden nicht allein von den Instrumentalisten nachgezeichnet. In diesem Kinderkonzert sorgten die Tänzerinnen und Tänzer der Ballettakademie Benedict-Manniegel dafür, dass sich die Klänge auch in Bewegung umsetzten, die Szenen des Komponisten tänzerisch sichtbar gemacht wurden. Und ebenso, wie Heinrich Klug die Arbeit der Musiker erläuterte, erhielten die jungen Zuschauer auch Einblick in die Arbeitsweise der Tänzerinnen und Tänzer, die ihre Ausbildung in der Regel schon im Alter von zehn Jahren beginnen. Leider muss man heute sagen: begannen - denn seit Einführung des G8 ist es um die Förderung des Ballettnachwuchses aus Zeitgründen sehr schlecht bestellt. „Ohne Ballett-Studenten aus Japan könnten wir Aufführungen wie diese gar nicht mehr bestreiten“, hieß es in Gauting.
Die tänzerische Seite der „Jahreszeiten“, das waren die zwitschernden Vögel im Frühling, waren die im Wind sich wiegenden Ähren im Sommer, das rauschende Erntefest und der vom Wein schon beduselte Bauer im Herbst und die Schlittschuhläufer im Winter. Eine ganze Jagdszene mit Jäger und Reh gab es im „Herbst“. „Eigentlich wird bei Vivaldi das Reh am Ende erschossen“, sagte Heinrich Klug, „aber das wollten wir nicht.“ Also darf die Tänzerin, die das Reh verkörperte, einfach in die Seitenbühne davonlaufen, und die Jäger kümmern sich nicht weiter darum.
Besonders viel Spaß hatten die Zuschauerkinder daran, beim „Winter“ auf Klugs Zeichen hin kräftig mit den Füßen zu stampfen, und auch das Donnerblech durfte von Kindern bedient werden. Den Komponisten Vivaldi mit seinen erzählenden Kompositionen werden diese Kinder so rasch nicht vergessen. Und wenn der eine oder die andere von ihnen durch das Programm Lust bekommen hat, später mal wieder ein Klassikkonzert zu besuchen, dann ist für die Zukunft dieser Sparte gesorgt - mindestens so viel wie durch die Jugend-musiziert-Wettbewerbe.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.