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Nach(t)kritik

Sa, 06.10.2018
20.00 Uhr

Die Welt ist Ballaballa

Veranstaltung: Robert Griess: Hauptsache, es knallt!
Es sind schwere Zeiten für den Satiriker. Wie kann er angemessen auf die Weltlage reagieren? Überall Krieg und Elend – kann man darüber noch Witze machen und sein Publikum zum Lachen bringen? Robert Griess hat eine Antwort darauf gefunden: man muss sein Publikum überraschen, die Genregrenzen überschreiten, man muss ein ganzes Drama inszenieren – so lässt er in der zweiten Hälfte seines Programms „Hauptsache, es knallt!“ die Gedanken schweifen. Eine Kostprobe davon, wie so ein Satiredrama aussehen könnte, gibt er ganz am Ende seines Auftritts am Samstagabend. Und es ist diese Genreüberschreitung, die das kleine bisschen Zuviel ist, die diesen nachdenklich stimmenden Satireabend zu einer Nummernshow werden lässt. Gut, dass Griess dann doch mit seinem Programm dem Genre treu bleibt, dem klassischen Politkabarett, das hat er nämlich ziemlich gut drauf.
Der Kölner war schon mal im Bosco, vor zwei Jahren, „und da war er gut“, raunt eine Besucherin ihrer Sitznachbarin zu. Er war es auch diesmal. Ein Kabarettabend mit Griess ist, als würde man mit ihm in der Kneipe sitzen und sich beim Bier den Politfrust gemeinsam von der Seele reden. Was dem politisch interessierten Bürger beim täglichen Nachrichtenkonsum aufstößt, gelingt Griess, in Worte zu fassen. Er spricht seinem Publikum förmlich aus der Seele. Das geht so weit, dass dieses selbst die Sätze des Satirikers vollenden kann: Gries sagt, er hat es dick, seit 28 Jahren zahlt er den… und das Publikum ergänzt folgerichtig „Solidaritätszuschlag“. Griess muss gar nicht viel machen, um den Polit-Wahnsinn zu entlarven. Er muss nur Zahlen und Statistiken heranziehen und in Beziehung setzen, den Politikern aufs Maul schauen, pure Logik dazu mischen und schon wird es offensichtlich: „Ballaballa ist die Welt.“ Griess ist ein genauer Beobachter, ihm entgeht nichts. Oftmals kommt er ganz ohne konstruierte Pointe aus - die Realität ist Pointe genug. Er nennt die Dinge beim Namen, die Fehlbesetzung von Ministerposten etwa oder den Polizeieinsatz im Hambacher Forst. „Bleiben wir mal ehrlich, hier geht es doch um Konzerninteressen.“ Am Ende nickt das Publikum immer wieder, stimmt zu, klatscht.
Griess ackert sich durch den Politbetrieb. Von Merkel, die in sich ruhend „wie ein Hydrant“ seit 13 Jahren herumeiert, über die Flinten-Uschi, die an der Spitze einer so ärmlich ausgestatteten Bundeswehr steht, das diese nicht mal in der Lage wäre, einen Angriff der Hells Angels auf Gelsenkirchen zu stoppen, bis zum Mautdebakel des Herrn Dobrinth und überhaupt zur CSU, dieser (noch) alleinregierenden Partei im vom Seehofer geschaffenen Weißwurst-Kalifat. Der FC-Bayern kriegt als Resozialisierungsprojekt für gefallene Männer der großen Gesellschaft Hiebe und die verlogene Charity-Kultur, diese „Gewissenswäsche“: „etwas an die Gesellschaft zurückgeben“ wollen die Reichen – „hätten sie es vorher nicht weggenommen, müssten sie es nicht zurückgeben“, so klingt Griess`sche Logik.
Griess kann auch kölsche Schnauze. Er wirft sich seine Glitzerjacke über und verwandelt sich in seine schon aus früheren Programmen bekannte Figur Herr Stapper. Als Kölner Prolo nimmt er die „Gautinger Großbourgeoise“ in die Mangel, die es sich schon fast ein wenig zu bequem auf den gepolsterten Stühlen gemacht hat. Die Ingwer-Teefraktion, die ihre Hauskatze mit Biofleisch füttert und Power-Pilates macht, kann aber ganz gut über sich selbst lachen. An einem bitteren Lied über das Mittelmeer muss sie nach der Pause aber länger schlucken, da ist Stapper schon wieder zu Griess geworden. Der singt über Touristen auf dem Kreuzfahrtschiff, die an leeren Schlauchbooten vorbeischippern und im Club Med beim Cocktail die Schreie der Ertrunkenen vergessen.
Alles, was dann kommt in der zweiten Hälfte, wird bunt wie ein Fleckerlteppich, Griess will einfach alles unterbringen, was so verkorkst ist in dieser Welt: den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche, die Silvesternacht in Köln, die Terroranschläge in Paris und Berlin und schließlich gipfelt sein Rundumschlag im genreübergreifenden Satiredrama, in dem auch noch Erdogan, abzockende Banker und Berliner Größenwahn Platz finden. Griess legt einen wahren Satiremarathon hin, das kleine bisschen Zuviel eben. Eines muss man ihm lassen – das Publikum hat er bis zum Finale im Griff. Bereitwillig stimmt es ein zum gemeinsamen Abschlussliedchen mit den schrecklichen Sieben, darunter Putin und Beatrix von Storch: „All we are saying, give Krieg a chance.“ Die Welt ist Ballaballa.
 
Annette Jäger, 07.10.2018


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Sa, 06.10.2018 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.