Nach(t)kritik
Diszipliniertes Kraftpaket
Veranstaltung: Matthias Bublath: Eight Cylinder Bigband17 Mann auf der Bosco-Bühne, da kann es schon mal eng werden: Die „Eight Cylinder Bigband“ bestand diesmal aus nicht weniger fünf Saxophonisten, vier Trombone-Spielern, vier Trompetern, einem Drummer, einem Bassisten und einem Gitarristen – sowie dem Bandleader Matthias Bublath an Hammond-B 3- Orgel und Piano. Kein Wunder, dass es schon zu Beginn des Abends in Reihe 3 bei den Trompetern zu ein wenig Notenständer-Gerangel kam. So eine Bigband ist wie ein schwerer Ozean-Liner: Nicht ganz einfach zu manövrieren und im Idealfall Volldampf voraus. Wenn nun eine professionelle Zusammensetzung wie Bublaths „Ocean´s 17“ - pardon: „Eight Cylinder Bigband“- ihre versammelte Power auf die Bahn bringt, klingt das schon mal ganz anders als bei den üblichen Schul-Bigbands, die ja immer nur das schleppende Tempo ihres schwächsten Ensemble-Mitglieds gehen können. Die jeweils vier- bis fünffache Ausstattung der Bläser-Abteilung gehört bei Bublath zum Konzept, um auch komplexe Arrangements qualitativ meistern zu können. So etwa in jener ausladenden Nummer, die Bublath einem amerikanischen Jazzgitarristen gewidmet hat - Posaunen mit Trompeten im Dialog, danach zwei Altsaxophone in heftiger Zwiesprache. Dass der Chef u.a. von einem neunjährigen New York-Aufenthalt beeinflusst wurde, merkt man an dieser Think-Big-Haltung ebenso wie an Songtiteln, die z.B. dem „Nice Green Bow Restaurant“ in Chinatown gewidmet sind – doch Bublath hat gegenüber den 13 Bläsern (darunter der als „Ur-Gautinger“ vorgestellte Saxophonist Ulrich Wangenheim) für angemessenes Gegengewicht gesorgt: Der Australier Peter O´Mara (Ex-Mitglied bei Klaus Doldingers „Passport“, spielte u.a. auch schon mit Henning Sieverts), Bassist Patrick Scales und Drummer Christian Lettner bekommen bei diesem Acht-Zylinder-Paket genügend Auslauf für ihre Solo-Passagen.
Matthias Bublath selbst schreibt und arrangiert die Stücke häufig so, dass seiner Hammond-B 3-Orgel der moderierende, ausgleichende Part zufällt – nach scharfkantigen Bläser-Sets wirkt das dann wie Balsam aufs Gemüt. Doch es geht auch anders rum, die Orgel hat es durchaus „im Kreuz“, sich in wilde Höhen aufzuschwingen und es wie einstige Nummern der 70er-Band „Camel“ klingen zu lassen. Bublath wechselt auch mal innerhalb eines Arrangements von der Orgel zum Piano, wobei er bemerkenswerter Weise zuweilen den linken Schuh abstreift. Geboten wird alles, was anspruchsvoll und teuer ist, Funk, Soul, Swing, Latin, Jazz und sogar Gospel – wobei man letztere Versuche bei den alles hinwegpustenden Bläser-Passagen als etwas übermotorisiert empfinden darf. Um beim Bild vom Acht-Zylinder-Aggregat zu bleiben: Ein solcher Bolide benötigt Raum und muss genügend Sauerstoff ansaugen können, um sich wirklich zu entfalten und auch das stramme Tempo zu halten. Bublath präferierte im Bosco zwischendurch leider immer wieder auch ermüdend harmlos dahinplätschernde Stücke, die das Ensemble geradezu unterforderten und eher an Pianobar erinnerten als an Bigband. Umso aufrüttelnder wirken dann solche gepfefferten Crossover-Beispiele, die von anfänglichem Brasil-Sound bis zu O´Maras rockigem Solo reichen.
Dem Publikum bereitete der dargebotene Stilreichtum und das fraglos hohe technische Niveau auf jeden Fall große Freude, auch wenn es alles in allem nur wenige Überrasch-ungsmomente gab: Ein bisserl „akademisch“, clean und arg diszipliniert kommt einem das Gesamtbild bei der „Eight Cylinder Bigband“ vor – sogar für die gemeinsame Verbeugung beim verdienten Schluss-Applaus gab es vom Chef das Einsatzzeichen. Aber so muss das wohl auch sein bei einem derart großen Ensemble - sämtliche Getriebe-Teilchen greifen möglichst reibungslos ineinander, und für den Individualismus gibt es ja die Soli.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.