Nach(t)kritik
Echte Bilder, echte Stille
Veranstaltung: Joachim Heinzelmann: NaturfotografieGrundsätzlich nicht in Weingebieten – so lautet die Urlaubsdevise des Gautinger Weinhändlers Joachim Heinzelmann. Aber ganz ohne Wein geht es dann doch nicht: In einem mit perlendem Frizzante gefüllten Weinglas, abgestellt auf dem Geländer vor einer Hütte in Osttirol, spiegelt sich in der Abendsonne die ganze Bergwelt des Vilgratentals. Das Bild steht für einen jener Glücksmomente, die Heinzelmann auf seinen Reisen in die Dolomiten oder nach Norwegen einfängt. Eine Auswahl seiner schönsten Naturfotografien aus den vergangenen zwei Jahren zeigt er jetzt in einer Ausstellung im Bosco – es ist zugleich das erste Mal, dass er sich mit seinem Hobby in der Öffentlichkeit präsentiert.
Es ist wohl kaum verwunderlich, dass jemand, der Tag für Tag in einem Geschäft steht und Kunden berät, seine Freizeit in der Einsamkeit der Natur verbringt. Und so wird man auch Menschen auf den Bildern von Joachim Heinzelmann vergeblich suchen. Das Weinglas auf einem von insgesamt 25 Fotos ist beinahe das einzige Zeichen von Zivilisation. Das Skelett eines Elchs am Eingang zu einer Galerie und die zähnefletschenden getrockneten Fische, beides in Norwegen gefunden, erzählen vielleicht noch von Menschen, die es irgendwo außerhalb dieser Bilder geben muss. Ansonsten nur Stille, Natur von so majestätischer Schönheit und von einer zuweilen so romantischen Entrücktheit, als sei Caspar David Friedrich unter die Fotografen gegangen.
Auch die Mondfinsternis im Jahr 2015 fotografierte Heinzelmann in Osttirol. Die Collage aus verschiedenen Phasen dieses Himmelsspektakels ist das einzige „bearbeitete“ Bild in dieser Ausstellung. Alle anderen Motive sind einzig und allein deshalb zu gelungenen Bildern geworden, weil er im richtigen Moment aus der richtigen Perspektive das Richtige fotografiert hat – schon das macht die Ausstellung in unseren Zeiten der allgegenwärtigen geschönten und gefakten Bilder sehenswert. Der richtige Moment – auch das eine alte Fotografenweisheit – ist übrigens sehr oft „früh am Morgen“, so die Formulierung, die sich häufig in den charmant und ausführlich erzählten Bildlegenden findet.
Neben den spektakulären Gipfelformationen, die sich spektakulär in klaren Bergseen spiegeln, den spektakulär schön im letzten Abendlicht glühenden Felsen und anderen spektakulären Lichterscheinungen gibt es auch „einfach nur schöne“ Bilder: Ein kleiner Bachlauf, der durch grüne Wiesen mäandert. Ein herbstlicher Birkenwald. Schmetterlinge auf rosaroten Blüten vor grauen Felsen. Wie gemalt wirken die Eiskristalle, die sich in einer kalten Nacht über einer Quelle gebildet haben oder die vom ersten Raureif „geeisten“ Alpenglockenblumen. Und schließlich: Stille und immer wieder Stille.
Joachim Heinzelmann fotografiert zwar mit einer Digitalkamera, aber er ist doch ein durch und durch „analoger“ Mensch. Und er mag zwar die Einsamkeit in der Natur suchen, aber er ist doch ein echter Menschenfreund: Am Vernissagenabend lagen kleine Zettel aus, auf denen man sein persönliches Lieblingsbild und seine Adresse eintragen konnte, das bevorzugte Motiv bekommt man dann als Postkarte geschickt. Außerdem geht von jedem verkauften Foto eine Spende an Sternstunden e.V.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.