Nach(t)kritik
Ein Blechkuchen für ein Abenteuer
Veranstaltung: Figurentheater Unterwegs: Die SachenfinderinWie lange dauert es, groß genug für ein Abenteuer zu werden? Wohl etwa so lang, wie ein Apfelkuchen im Ofen braucht, um durchzubacken. Denn während Mama den Teig knetet, ihn aufs Blech streich und mit Apfelschnitzen belegt, während Opa mit Ole zum Angeln geht und während Mama das Blech mit dem Kuchen in den Ofen schiebt, während all dieser Tätigkeiten sitzt Kari auf ihrem roten Stuhl in der Küche und ist wütend. Du bist noch zu klein zum Angeln, hat ihr großer Bruder Ole zu ihr gesagt. Dabei ist Kari doch schon vier.
„Ich bin auch vier“, echot es aus dem Publikum, „Ich bin erst drei“, kommt es aus einer anderen Ecke. Alle sind sie groß genug für Karin Abenteuer und für die Geschichte, mit der Angelika Jedelhauser und ihr Figurentheater Unterwegs an diesem Vormittag im bosco gastieren: „Die Sachenfinderin“. Jedelhauser spielt die Geschichte des kleinen Mädchens als Grenzgang zwischen Schauspiel und Figurentheater, aus Erzählung und Puppenspiel. Auf der Bühne steht ein großer Backofen mit hölzerner Arbeitsplatte. Auf dieser walkt Angelika Jedelhauser in der Rolle der Mama den Kuchenteig, nachdem sie an einem in die Szene hineinragenden Angelhaken die Nachricht von Ole und dem Opa gefunden hat „Sind beim Angeln“. Und derweil sie knetet, schält und belegt, erzählt sie von Kari und dass die so wütend darüber ist, nicht mitgehen zu dürfen. Nach einer Weile öffnet sich am Herd eine Schublade, und eine kleine Gestalt mischt sich ein: Kari. Nun entspinnt sich ein Dialog zwischen Groß und Klein, zwischen Mensch und Puppe, der immer mehr ins Figurenspiel übergeht. Denn kaum ist der Kuchen im Ofen, tritt die Figur der Mutter in den Hintergrund, und der Focus liegt auf der kleinen Kari, die ihrem Abenteuer entgegenhüpft. Die Mehltüte wird zur Sanddüne, der Topflappenhandschuh zum großen gefährlichen Fisch. Je weiter sich Karin Geschichte entwickelt, desto intensiver wird allmählich der Duft aus dem Ofen. Am Ende ist Kari glücklich, ihren Tag selber gestaltet zu haben. Und der Kuchen ist fertig. Jedes Kind im Publikum darf sich ein kleines Stück abholen.
Großartig, wie sich hier Realität und Phantasie ergänzen und durchwirken, wie der Vorgang des Kuchenbackens zum Zeitmaß wird für eine spannende Geschichte und zugleich zum Rahmen, der am Ende der Phantasiereise wieder zurückholt in die Gegenwart. Und mit einem wunderbaren Geschmack im Mund geht jedes Kind nach Hause in der Gewissheit, dass Theater einfach köstlich ist.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.