Nach(t)kritik
Ein Tänzer, zwei Hausbesetzer, drei Musiker
Veranstaltung: "Kunst in der Kolonie": Hausbesetzung "Herr Ober, bitte einen Tänzer!"Keine einträgliche Arbeit, kein Geld für Brot oder gar zum Heizen des kalten Zimmers, hinter jedem Klopfen an der Tür die Angst vor der griesgrämigen Vermieterin – „es ging mir schlecht“, notiert der später berühmte Filmregisseur Billy Wilder über sein Dasein im Berlin des Jahres 1926. Der Krieg lag acht Jahre zurück, die Arbeitslosenzahlen stiegen, und seine Tätigkeit als Reporter brachte dem aus Wien hierhergespülten Wilder nichts ein. Als er eines Tages wieder einmal unrasiert, in ungebügelten Hosen und gewendeten Manschetten über den Kurfürstendamm schlendert, trifft er einen alten Bekannten aus Wien, der ihn nicht nur zum Essen einlädt, sondern dasselbe auch mit einem von – zig Hundertern bezahlt. Das könne er auch haben, bescheidet er dem Hungerleider Wilder, er müsse nur am nächsten Tag im Hotel Eden vorsprechen und sich um die Stelle eines Eintänzers bewerben.
„Herr Ober, bitte einen Tänzer!“, heißt das Programm mit Sebastian Hofmüller als Billy Wilder und dem Kleinen Tanztee-Syndikat, bestehend aus Walter Erpf (Klavier), Ulrike von Sybel-Erpf (Geige) und dem Sohn der beiden, Jakob Erpf (Cello). Basierend auf Billy Wilders Reportagen für die „B.Z. am Mittag“ über das Leben eines Eintänzers, spürt das ebenso kurzweilige wie einfühlsame Programm jenen zwei Monaten im Leben des 1933 in die USA emigrierten Filmemachers nach, in denen er als „Tänzer auf Bestellung“ nachmittags beim Tanztee einsame Damen übers Parkett führte und abends nach Theaterschluss die verwöhnten Töchterlein der besseren Gesellschaft mit Papas nachsichtiger Erlaubnis zum Tanz aufforderte.
Sebastian Hofmüller schlüpft dabei in die Rolle des Tänzers aus Verzweiflung, lässt diesen quasi aus den Aufzeichnungen entstehen, die er zunächst am Schreibtisch sitzend liest. Bald schon wird die szenische Lesung zum Spiel, Hofmüller alias Wilder streift den Frack über, begibt sich in den luxuriösen Hotelpolstersessel, fordert Zuschauerinnen zum Tanz auf und singt die Melodien der späten Zwanziger, Lieder wie „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ oder „Irgendwo auf der Welt gibt´s ein kleines bisschen Glück…“ Dabei erinnert er sich an die mal bitteren, zumeist aber urkomischen Momente aus dem Alltag des Miet-Tänzers: die Geschichte mit der Tisch-Verwechslung, die ihm beinahe eine blutige Nase eingebracht hätte oder die Geschichte mit dem vom ersten Verdienst gekauften Koffer-Grammophon, das er sogleich zum Klingen bringt. Mit sprühendem Witz und zugleich einer stets über der Szene schwebenden Melancholie zeichnet Sebastian Hofmüller diese zwei so besonderen Monate im Leben Billy Wilders nach und nimmt so ganz nebenbei den Rhythmus, den Sound der Musik auf, die das Kleine Tanztee-Syndikat wie einen Dialogpartner der Geschichte gegenüberstellt.
Das Trio greift in seinem musikalischen Repertoire auf einen ganzen Fundus von Stücken zurück, die mit dieser Zeit vor dem Nationalsozialismus untergegangen ist. Walter Erpf als versiertester Kenner dieser Literatur hat diese für Geige, Cello und Klavier arrangiert und eine musikalische Szenerie zusammengestellt, die mitten hineinzieht in den Saal des Hotel Eden zu Berlin. Dass viele der Komponisten ebenso wie Wilder Deutschland verlassen mussten, andere aber auch nicht so viel Glück hatten und von den Nazis ermordet wurden, klingt dabei ebenso mit an wie das berauschende Lebensgefühl der Zwanziger Jahre in Berlin, das nicht selten einem Tanz auf dem Vulkan glich – ein Parkett, das selbst dem begabtesten Eintänzer wohl zu heiß geworden sein dürfte. „Auf eigenen Wunsch“ verließ Billy Wilder nach zwei Monaten wieder das Hotel Eden und seinen Job als Tänzer auf Bestellung. Der Rest ist Geschichte.
„Herr Ober, bitte einen Tänzer!“ fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst in der Kolonie“ statt, diesmal in „Gautings größtem Wohnzimmer“ (Literarischer „Hausbesetzer“ Matthias Friedrich zu Beginn) – die gesammelten Spenden sollen der Aktion „Gautings Sternstunde“ zugunsten „Sternstunden e.V.“ zugute kommen.
„Herr Ober, bitte einen Tänzer!“, heißt das Programm mit Sebastian Hofmüller als Billy Wilder und dem Kleinen Tanztee-Syndikat, bestehend aus Walter Erpf (Klavier), Ulrike von Sybel-Erpf (Geige) und dem Sohn der beiden, Jakob Erpf (Cello). Basierend auf Billy Wilders Reportagen für die „B.Z. am Mittag“ über das Leben eines Eintänzers, spürt das ebenso kurzweilige wie einfühlsame Programm jenen zwei Monaten im Leben des 1933 in die USA emigrierten Filmemachers nach, in denen er als „Tänzer auf Bestellung“ nachmittags beim Tanztee einsame Damen übers Parkett führte und abends nach Theaterschluss die verwöhnten Töchterlein der besseren Gesellschaft mit Papas nachsichtiger Erlaubnis zum Tanz aufforderte.
Sebastian Hofmüller schlüpft dabei in die Rolle des Tänzers aus Verzweiflung, lässt diesen quasi aus den Aufzeichnungen entstehen, die er zunächst am Schreibtisch sitzend liest. Bald schon wird die szenische Lesung zum Spiel, Hofmüller alias Wilder streift den Frack über, begibt sich in den luxuriösen Hotelpolstersessel, fordert Zuschauerinnen zum Tanz auf und singt die Melodien der späten Zwanziger, Lieder wie „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ oder „Irgendwo auf der Welt gibt´s ein kleines bisschen Glück…“ Dabei erinnert er sich an die mal bitteren, zumeist aber urkomischen Momente aus dem Alltag des Miet-Tänzers: die Geschichte mit der Tisch-Verwechslung, die ihm beinahe eine blutige Nase eingebracht hätte oder die Geschichte mit dem vom ersten Verdienst gekauften Koffer-Grammophon, das er sogleich zum Klingen bringt. Mit sprühendem Witz und zugleich einer stets über der Szene schwebenden Melancholie zeichnet Sebastian Hofmüller diese zwei so besonderen Monate im Leben Billy Wilders nach und nimmt so ganz nebenbei den Rhythmus, den Sound der Musik auf, die das Kleine Tanztee-Syndikat wie einen Dialogpartner der Geschichte gegenüberstellt.
Das Trio greift in seinem musikalischen Repertoire auf einen ganzen Fundus von Stücken zurück, die mit dieser Zeit vor dem Nationalsozialismus untergegangen ist. Walter Erpf als versiertester Kenner dieser Literatur hat diese für Geige, Cello und Klavier arrangiert und eine musikalische Szenerie zusammengestellt, die mitten hineinzieht in den Saal des Hotel Eden zu Berlin. Dass viele der Komponisten ebenso wie Wilder Deutschland verlassen mussten, andere aber auch nicht so viel Glück hatten und von den Nazis ermordet wurden, klingt dabei ebenso mit an wie das berauschende Lebensgefühl der Zwanziger Jahre in Berlin, das nicht selten einem Tanz auf dem Vulkan glich – ein Parkett, das selbst dem begabtesten Eintänzer wohl zu heiß geworden sein dürfte. „Auf eigenen Wunsch“ verließ Billy Wilder nach zwei Monaten wieder das Hotel Eden und seinen Job als Tänzer auf Bestellung. Der Rest ist Geschichte.
„Herr Ober, bitte einen Tänzer!“ fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst in der Kolonie“ statt, diesmal in „Gautings größtem Wohnzimmer“ (Literarischer „Hausbesetzer“ Matthias Friedrich zu Beginn) – die gesammelten Spenden sollen der Aktion „Gautings Sternstunde“ zugunsten „Sternstunden e.V.“ zugute kommen.
Sabine Zaplin, 22.11.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.