Nach(t)kritik
Einheit zu dritt
Veranstaltung: Lena Neudauer, Violine, Marianna Shirinyan, Klavier & Sebastian Klinger, Violoncello: Beethoven, Silvestrov, Žebeljan und ArenskyLudwig van Beethovens wunderbar vielschichtiges Klaviertrio Es-Dur op. 72/2 von 1809 eröffnete den rundum gelungenen, ja aufregenden Trio-Abend und schon mit der langsamen Einleitung war klar, dass viele Impulse von der großartigen Pianistin Marianna Shirinyan ausgehen werden, die auch später dem Steinway ungemein viele Facetten abgewinnen konnte und eigentlich immer Prima inter pares war. Die famose Geigerin Lena Neudauer griff diese Impulse vital und neugierig auf oder setzte selbst inspirierende Akzente, während Cellist Sebastian Klinger eher nobel zurückhaltend im Hintergrund blieb, aber aufmerksam zuhörend sich immer elegant einfügte. Vor allem in den Variationen des ersten Allegretto balancierten sich die Stimmen immer wieder neu aus und musizierten, als würde das Ganze gerade erst entstehen, soviel Frische, Unmittelbarkeit und musikalische Logik war in jeder Phrase, in jedem Akkord zu erleben. Auch das Allegro man non troppo besaß als eine Art Menuett – eben nicht Scherzo – großen Charme und fast Schubert’sche Anmut, bevor mit dem Finale noch einmal alle Kräfte subtil gebündelt wurden. Dafür brandete am Ende zu Recht großer Beifall auf.
Nach diesem intensiven Miteinander boten die sechs „Mozart-Augenblicke“ des 1937 geborenen Ukrainers Valentin Silvestrov aus den Jahren 2006/07 einen seltsam rückwärtsgewandten Blick, der wie von Nebeln umhüllt war. In gerade mal zwölf Minuten beginnt dieser kleine Zyklus immer wieder neu bei einem vermeintlichen Zitat, um sich dann sehr schnell in diffusen Gefilden zu verlieren. Ganz anders nach der Pause die Sarabande der serbischen Komponisten Isidora Žebeljan (1967-2020). Das melancholische, enorm faszinierende Stück wurde 2001 für Flöte, Sopran und Klavier komponiert, dann für Englischhorn, Violine und Klavier bearbeitet und war nun in einer Fassung der Komponistin von 2013 für Klaviertrio zu erleben. Ursprünglich als Bühnenmusik für eine Liebesszene in Jean-Paul Sartres Stück Die schmutzigen Hände entstanden, ist auch diese Musik wie aus der Zeit gefallen, in ihrer großen, dichten Empfindsamkeit aber enorm berührend.
Auch das Klaviertrio Nr. 1 a-moll op. 32 von Anton Arenskij (1861-1906), komponiert 1894, enthält große Emotionen und löst solche aus. Vor allem der langsame Satz, Elegia überschrieben, ist ganz in der Tradition der entsprechenden Trios Peter Tschaikowskys und Sergej Rachmaninows eine hochromantische Totenklage für Karl Davydov, den berühmten Solocellisten der Oper in St. Petersburg. Das Cello eröffnet eine Art Trauermarsch, der im Verlauf des Satzes mehrere Metamorphosen durchläuft. Raffiniert auch die unheimliche Kombination von gläsernen Flageoletts und Pizzicati im Scherzo, das nur durch ein sehr tänzerisches Trio auf den Boden der Realität zurückkehrt. Am Ende muten Reminiszenzen an bereits Gehörtes wie eine letzte Erinnerung an den 1889 mit 51 Jahren verstorbenen "Zar der Cellisten" (Tschaikowsky) an, dem diese Musik gewidmet ist. Auch hier gibt es einen wunderbar intensiven Austausch von Klavier, Geige und Cello. Jeder weiß genau, wann er zu führen, wann er sich zurücknehmen muss und wie im Tutti zu spielen ist, damit es nie dick klingt, sondern das Geschehen erfüllt „atmen“ kann.
Am Ende dann noch eine sehr gefühlige, 1917 im Druck erschienene Zugabe, die mit viel Mut zum Kitsch zelebriert war: Heart Throbs - Herzklopfen von einem Komponisten namens Charles Haydn Arnold.
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