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Nach(t)kritik

Do, 05.05.2022
20.00 Uhr

Einsteins Badezimmer

Veranstaltung: Werner Koczwara: Mein Schaden hat kein Gehirn genommen!

Der Kabarettist Werner Koczwara hat schon vor Jahren eine Art Marktlücke für sich entdeckt: Die mitunter bizarren Hirnwindungen der Deutschen und deren skurrile Ausdrucksformen in Wort und Schrift. Programme wie „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ oder „Einer flog übers Ordnungsamt“ führten gnadenlos komisch vor, wie der Amtsschimmel wiehert bzw. welche Blüten die Kunst der gedrechselten Sprache zu treiben vermag. Bei Koczwaras neuerlichem Gastspiel im bosco kam nun konsequenter Weise der anatomische Aspekt aufs Tapet – die Ortsbetrachtung der Quellen des Irrsinns sozusagen. „Mein Schaden hat kein Gehirn genommen“ forscht da weiter, wo andere mit ihrem Latein längst am Ende sind.

Der aus Schwäbisch-Gmünd stammende 64-Jährige stand ja immer schon im Verdacht, Volljurist zu sein, derart geschliffen nahm er die Prosa deutscher Amtsstuben und Gerichtssäle auseinander. Dabei hat der Mann nach eigener Aussage „nur vier Tage“ Rechtswissenschaft studiert, ehe er sich so lohnenden Dingen zuwandte wie als Autor für die „Harald Schmidt Show“ zu arbeiten. Aus dieser Schwaben-Connection heraus muss bei Koczwara ein ganz eigener Blick auf den Rest der Welt entstanden sein: Einer, der die knappen Äußerungen „Ha no“ und „Ha scho“ als „das schwäbische Yin und Yang“ begreift und von gusseiserner Gelassenheit geprägt ist. Einer, der proaktiv ans Finanzamt schreibt und – Kabarett in anstrengenden Zeiten – es sogar schafft, vorauseilend von der Einkommensteuer befreit zu werden. Koczwaras Sektion unseres „hochkomplexen Zentralorgans“ fördert alles Mögliche zutage, sogar gesicherte Erkenntnisse: Wenn ein Autoverkäufer den Kunden mit den typischen Worten empfängt: „Wollen Sie´n Kaffee?“, dann ist das angeblich „angewandte Hirnforschung im Gebrauchtwagenhandel“ – bloß weil der Mensch sich mit etwas Warmem im Bauch wohler fühlt und das Hirn darauf anspricht.

Der Kabarettist hat natürlich wieder seinen bewährten Beamer dabei, um uns wie in einem Wissenschaftsseminar zu „unterrichten“, und wie bei beliebten männlichen Dozenten üblich, gibt es dazu eine gut dosierte Portion sexualisierten Herrenwitz und ein paar schöne Witze und Anekdoten zu hören, die zum Hirn-Thema passen: Fragt der Ehemann die Ehefrau, warum sie laut Statistik tattäglich etwa doppelt so viele Wörter benutzt wie er, bekommt er zu hören: „Weil ich dir immer alles zweimal sagen muss!“

Auf weniger gesichertem Terrain klingt der Unterschied zwischen Frau und Mann so: „Das Hirn der Frau ist eine Art Wollknäuel, der Mann hingegen muss Boxen öffnen.“ Darunter die „Nix-Box“, die vollkommen leer ist, aber theoretisch zu Großem befähigt. Kocwara behandelt auch das Thema „Ängste“ und benennt als Beispiele den penetranten Werbespot für „Seitenbacher Müsli“ oder seine ganz persönliche „Autobahnkartoffelsalatphobie“, offenbar eine schwere Form der Raststätten-Traumas. In solchen Momenten kommt er dem Publikum wohltuend nahe, steigt quasi herab vom hohen Pult der (pseudo-)wissenschaftlichen Ättitüde und sorgt immer rechtzeitig für schöne Humor-Abgründigkeiten. Warum die Deutschen Reiseweltmeister sind? „Weil wir das schönste Ausland haben!“ Fehlt nur noch das Lied von der „Reiserechtsreform“, das dem „Doors“-Song „Riders On The Storm“ nachempfunden ist und sich fast genauso anhört.

Kocwara ist genau deshalb keine Sekunde langweilig, weil er es geschickt versteht, das Niveau rauf und runter zu schrauben, zwischen Hochphilosophisch und Treppenwitz, zwischen Bildungsnummer und Zote – klassische Achterbahn eben, die unseren Intellekt genauso kitzelt wie unseren eher simpel (und humorlos) gestrickten Reptilienhirnanteil. Albert Einstein hat ja nur deshalb die Relativitätstheorie entwickeln können, weil sich bei seiner Frau „mit dem Betreten des Bades eine Minute auf fünf gedehnt hat“, macht Kocwara uns glaubhaft weiß. Kostprobe fürs untere Fach ist dann ein Buchtitel: „Tod beim Geschlechtsverkehr – Aufeinander eingehen“. Als Zugaben dann noch die schon legendäre Rechenaufgabe im Wandel der Zeit: „Ein Bauer hat zehn Kühe…“ Damit führt Koczwara mal eben vor, wie es mit der Bildung immer nur bergab gegangen ist und wie die Moden doch wechselten dabei. Und ganz zum Schluss folgt dann wieder einmal seine schon legendäre Einführung ins Schwäbische, die man als Gautinger Ausländer einfach lieben muss: „Ausgestorbene Tierart mit vier o? Dooda Schnooga“ (zu Deutsch: tote Schnake).

Thomas Lochte, 06.05.2022


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 05.05.2022 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.