Nach(t)kritik
Europa auf zweimal sechs Saiten
Veranstaltung: Café del Mundo: Dance of JoyDrei Wochen vor der Europawahl setzt das bosco im „Vielklang“ schon einmal ein ermutigendes Zeichen: „Beloved Europa“, lautet der Titel der neuen CD des Ausnahme-Gitarrenduos Café del Mundo, und dieser Titel ist Programm. Denn Jan Pascal und Alexander Kilian lassen in ihrem Konzert die vielfältige Schönheit, die schöne Vielfalt Europas anklingen und sprengen dabei alle Grenzen. Von Spanien über die italienische Toscana, Griechenlands Küsten, Polens Tanzböden und norddeutsche Inseldünen ziehen die beiden eine musikalische Spur des Verstehens und der Verständigung. Wo andere dem Rückzug ins Nationale und Enge das Wort reden wollen, spricht Café del Mundo die allen gemeinsame Sprache der Musik und lädt mit Tangos, Flamencos und Balladen zu einer hinreißenden, mitreißenden Europareise.
„Schön, dass Sie an diesem Brückentagwochenende nicht in Urlaub gefahren sind“, freut sich Jan Pascal und verspricht dem Publikum im nahezu ausverkauften Saal einen ganz anderen Urlaub. Gut zweieinhalb Stunden Auszeit vom Alltag und ein Eintauchen in eine Welt, die geprägt ist von einem gemeinsamen Rhythmus, einander suchenden und findenden Harmonien und rasanten Dialogen auf zweimal sechs Saiten - wenn das nicht ein wahres Brückentagerlebnis ist!
Die Idee, das neue Album dem europäischen Gedanken zu widmen, kam Pascal und Kilian während einer Konzertreise durch Griechenland. Es war am Ende eines besonders heißen Tages, nach einer Veranstaltung, als die beiden Gitarristen etwas Abkühlung bei einem nächtlichen Bad im Meer suchten und Alex beinahe von einem Frontex-Patrouillenboot umgefahren worden wäre. „Westliches Urlaubsflair und die Not von Flüchtlingen trafen hier besonders augenfällig aufeinander“, erinnert sich Jan. Also lassen die beiden Musiker auf dem Album „Beloved Europa“ all das aufeinandertreffen, was Europa und seine so verschiedenen Länder mit ihren einander doch recht ähnlichen Bewohnern auszeichnet. Da ist die pure Lebensfreude wie in „Dance of Joy“ (unter diesem Titel stand das heutige Programm). Da ist das mit leichten Techno-Beats angereicherte „Easy“, das von einem guten Tag erzählt - einen solchen zeichnen perfektes Wetter, weicher Inselsand, gutes Essen und gute Freunde aus. Da ist die Aufforderung zum Fliegen in „Spread your wings“, das während einer Konzertreise in der Toscana angesichts eines besonderen Kunstprojektes entstand. Und da ist ein trauriger polnischer Tango, der vom Ende einer hoffnungslosen Liebe erzählt. Mehr Europa auf zweimal sechs Saiten geht nicht. „Mit der Platte sind wir sogar nach England eingeladen worden“, sagt Jan Pascal.
Die musikalische Speisekarte im Café del Mundo lässt aber auch allen seinen Gästen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Hier gibt es nicht nur den bekannten Flamenco, sozusagen den Nusskuchen, sondern auch Balladen und Tangos, Jazz und Hiphop, Anleihen aus Pop und Rock - und immer wieder staunt man, wieviel an Sparten und Spartengrenzen Überschreitendes mit den wenigen Zutaten - zwei Gitarren - möglich ist. Das macht sehr großen Spaß. Und das macht Hoffnung auf die Zukunft Europas, zu der vielleicht auch nur wenige Zutaten reichen. So könnte die anstehende Wahl in einen „Dance of Joy“ münden.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.