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Nach(t)kritik

So, 18.06.2023
20.00 Uhr

Flammendes Trio

Veranstaltung: Pierre Colombet, Violine, Raphaël Merlin, Violoncello & Hyung-ki Joo, Klavier: Dutilleux, Ravel und Brahms

Kaum zu glauben, wie intim, zärtlich und  leidenschaftlich  drei Männer miteinander umgehen können, gerade wenn sie sich nicht berühren – aber in höchster Übereinstimmung und wachem Bewußstsein dafür, was der andere denkt und fühlt, miteinander musizieren! So geschehen (nicht nur) im langsamen Satz aus dem ersten Klaviertrio H-Dur op. 8 von Johannes Brahms , hier in der späteren Überarbeitung zu hören. Da spielten der Geiger Pierre Colombet, Cellist Raphaël Merlin und der Pianist Hyung-Ki Joo miteinander im  umfassenden Sinne dieses Wortes.  Denn man hörte nie eine Unterscheidung in Begleit- oder Hauptstimmen, sondern immer ein spannungsvoll glühendes Miteinander. So  konnte man glauben,  diese so dichte und intensive Musik zum ersten Mal zu hören oder besser: endlich richtig!

Schon der Beginn dieses Satzes besaß im Duo von Klavier und Cello eine solche Innigkeit, dass man sich nicht mehr im Konzert, sondern beinahe nicht mehr von dieser Welt wähnte. Und was folgte, ließ den Hörer immer mehr im siebten Himmel schweben. Wenn Geige und Cello manchmal gemeinsam und fast unisono spielten, konnte man tatsächlich so etwas wie eine „Riesengeige“ hören, von der Brahms angesichts seines Doppelkonzerts sprach. In früheren Zeiten hätte es dadurch jede Menge ohnmächtige Damen im Publikum gegeben, doch das ist glücklicherweise außer Mode gekommen. Eigentlich hätte man danach garnichts mehr hören wollen, aber das Finale schloss unmittelbar und dabei so verhalten an, dass der Zauber des Adagio nachwirken konnte, bevor noch einmal so viel flammende Intensität und Schönheit des Ausdrucks geboten waren und sich die Spannung ins Unermessliche steigerte, dass es danach nur erlösenden Jubel geben konnte.

Vorausgegangen war das Klaviertrio a-moll von Maurice Ravel, in dem der Franzose zu Beginn des ersten Weltkriegs diesen düsteren Zeiten so viel Anmut und Glanz, Strenge (in der Passacaille des dritten Satzes) wie Freiheit der immer wieder raffiniert anders abgemischten Klänge abtrotzte, dass man beim Hören ebenfalls in ganz andere Sphären entführt wurde. In ihnen gab es kaum mehr Realität, sondern nur das Wunder solcher Musik, die so viel mehr erzählt über das Leben als alle Worte dies vermögen. Dafür muss man aber auch jeder Wendung und jedem Akkord eine so präzise Fassung geben, wie es diese wunderbar aufeinander hörenden und daher mit einem unsichtbaren Band verbundenen Männer vermögen. Wo bei anderen Musikern das Klavier gegenüber den Streichern dank seiner so ganz anderen Klanglichkeit und Entstehung des Tons (von der leichten Differenz der wohltemperierten Stimmung zur „reinen“ Stimmung der Streicher ganz abgesehen) irgendwie außen vor bleibt, verband es hier Alles mit Allem. Lebenslust (im Pantoum. Assez vif überschriebenen Scherzo) oder Trauer, Extrovertiertheit oder Verhaltenheit, leise oder wilde, laute Töne: Alles tönte im Innersten erfühlt und darum im Erklingen so dicht und einfach übervoll von Schönheit!

Diesem Musizieren im Trio gingen knappe zehn Minuten voraus, in denen Raphaël Merlin ganz allein zu erleben war mit den Trois Strophes sur le nom de Sacher (in Noten tönend: eS-A-C-H-E-Re(=D). Damit wurde der schweizerische Dirigent und Mäzen 1976 zu seinem 70. Geburtstag von Henri Dutilleux geehrt. Wer diese feine, aber höchst anspruchsvolle Musik für Solocello so kongenial von Merlin dargeboten bekommt, der bedauert um so mehr, dass er als neuer Chefdirigent des L’Orchestre de Chambre de Genève ab der Saison 2023/24 das Quatuor Ébène verlässt, ja schon verlassen hat. Glücklicherweise versicherte er, dass er weiter als Cellist auftreten wird, wohl nicht zuletzt wie hier als Partner von Pierre Colombet, dem ersten Geiger des Quartetts, oder, wie bei Klangwelt Klassik in Icking am Freitag, 23. Juni mit dessen Bratscherin Marie Chilemme und dem Leonkoro Quartett. Auf dem Programm steht unter anderem wieder Brahms: dessen Sextett Nr. 1.

 

Klaus Kalchschmid, 19.06.2023


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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So, 18.06.2023 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.