Nach(t)kritik
Französisch empfindsam
Veranstaltung: Trio Messina – Perraud – Kouider: Fauré, Poulence, Debussy & BrahmsNur verständlich, dass der Ruf nach einer eigenen Musik in Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so laut erschallte. Die deutsch-österreichische Dominanz der Wiener Klassik und der Romantik hatte alles andere verdrängt. Welches Glück, dass sich Komponisten fanden, die den Auftrieb und die Inspiration aufbrachten, sich gegen eine so erdrückende Kraft aufzulehnen und etwas Neues zu erschaffen. Dieses Konzert mit in Frankreich geborenen Musikern machte die Dringlichkeit dieses Befreiungsschlags nachträglich deutlich. Das Empfinden der französischen Musik – und der Franzosen(?) – ist sehr eigen und besonders. Nicht die Form ist darin bestimmend, als vielmehr das Sentiment, die Klangatmosphäre und vor allem der poetische Gedanke, die es nicht nur hörbar, sondern auch nachempfindbar zu machen galt.
Klarinettist Patrick Messina, Violoncellist Raphaël Perraud und die Pianistin Paloma Kouider bilden kein festes Trio. Und doch war die Homogenität bestechend, denn sie entsprang einer bewusst wahrgenommenen Mentalität, die in der emotional geprägten Musik eine tragende Rolle spielte. Im Trio d-Moll op. 120 von Gabriel Fauré wurde gleich zu Beginn klar, dass es dabei nicht um große Gesten und wirkungsvolle Kontraste ging. Die Gefühlswelt der Fauré-Musik ist authentisch, realen Begebenheiten entsprungen. Der fast taube 77jährige Komponist verstand es, seine poetischen Gedanken mit überaus aufrichtigen Empfindungen zu verbinden. Und die französische Musik ließ sie zu, erlaubte ihr, schon mal kraftlos oder resignativ zu sein, intimste Einblicke zu offenbaren, oder einfach nur umherschweifenden Gedanken nachzuhängen. Das Sinnieren konnte dabei allerdings durchaus schon sehr leidenschaftlich, zugleich auch überaus lyrisch und zart ausfallen.
Die spannendste Erkenntnis des Abends: Brahms konnte Französisch. Zumindest in seiner allerletzten Kompositionsphase, in der die wunderbaren Klarinettenwerke entstanden. Im Trio a-Moll op. 114 deckten hier die drei empfindsamen Musiker nach einem Rundumschlag durch die Entwicklung der französischen Schule einen Brahms auf, den man nur selten erlebt. Einen Träumer, der gedankenverloren die wunderbarsten Klangbilder zu entwerfen vermochte und so seelentief in sich hineinhören konnte, wie man es ihm sonst kaum zutraute. Einst hieß es in einer Besprechung der Uraufführung, bei der Brahms selbst am Klavier saß: „Übrigens erweist sich die Zusammenstellung der Klarinette mit Cello und Klavier bei weitem nicht so klangschön, wie die mit dem Streichquartett“. Messina, Perraud und Kouider traten hier jedoch entschieden an, diese Aussage ad absurdum zu führen. Das Klangbild des Ensembles ließ es an Schönheit an keiner Stelle fehlen.
Es muss hier aber dringend betont werden, dass es in diesem Konzert keinesfalls seicht zuging. Schon bei Fauré tauchten die pfiffigsten Ausbrüche auf. Freilich nur kurz und vergleichsweise verhalten, und doch mit nicht weniger Witz und Temperament. Selbst Debussys Violoncello-Sonate d-Moll war eine große Vitalität und Energie eigen. Die freie Stimmführung der beiden Instrumente suchte allerdings vielmehr den improvisatorisch-erzählerischen Charakter. Das Narrative Element machte die Geschichte überaus spannend, denn Debussys Sonate lebt von Bildern, die bei der Commedia dell’arte angesiedelt sind.
Den ironischen Zug machte weit intensiver die Interpretation der Klarinettensonate von Francis Poulenc zum Thema. Zumindest im feurigen Schlusssatz, der so überaus typisch für die Bläsermusiken Poulencs ist. Im Angedenken an den damals bereits verstorbenen Komponisten Arthur Honegger geschrieben, beherrscht in erster Linie eine ungewohnte Ernsthaftigkeit, ja Trauer die Komposition. Doch das Trio Messina, Perraud und Kouider vermochte auch den grotesken Zug der Poulenc-Musik geschickt einzuflechten und den scheinbaren Widerspruch als eine besondere Qualität des Werkes herauszustellen.Ein wohltuender Kammermusikabend vom geisterfrischenden Charakter. Zwei Mendelssohn-Zugaben nach lang anhaltendem, frenetischem Applaus.
Klarinettist Patrick Messina, Violoncellist Raphaël Perraud und die Pianistin Paloma Kouider bilden kein festes Trio. Und doch war die Homogenität bestechend, denn sie entsprang einer bewusst wahrgenommenen Mentalität, die in der emotional geprägten Musik eine tragende Rolle spielte. Im Trio d-Moll op. 120 von Gabriel Fauré wurde gleich zu Beginn klar, dass es dabei nicht um große Gesten und wirkungsvolle Kontraste ging. Die Gefühlswelt der Fauré-Musik ist authentisch, realen Begebenheiten entsprungen. Der fast taube 77jährige Komponist verstand es, seine poetischen Gedanken mit überaus aufrichtigen Empfindungen zu verbinden. Und die französische Musik ließ sie zu, erlaubte ihr, schon mal kraftlos oder resignativ zu sein, intimste Einblicke zu offenbaren, oder einfach nur umherschweifenden Gedanken nachzuhängen. Das Sinnieren konnte dabei allerdings durchaus schon sehr leidenschaftlich, zugleich auch überaus lyrisch und zart ausfallen.
Die spannendste Erkenntnis des Abends: Brahms konnte Französisch. Zumindest in seiner allerletzten Kompositionsphase, in der die wunderbaren Klarinettenwerke entstanden. Im Trio a-Moll op. 114 deckten hier die drei empfindsamen Musiker nach einem Rundumschlag durch die Entwicklung der französischen Schule einen Brahms auf, den man nur selten erlebt. Einen Träumer, der gedankenverloren die wunderbarsten Klangbilder zu entwerfen vermochte und so seelentief in sich hineinhören konnte, wie man es ihm sonst kaum zutraute. Einst hieß es in einer Besprechung der Uraufführung, bei der Brahms selbst am Klavier saß: „Übrigens erweist sich die Zusammenstellung der Klarinette mit Cello und Klavier bei weitem nicht so klangschön, wie die mit dem Streichquartett“. Messina, Perraud und Kouider traten hier jedoch entschieden an, diese Aussage ad absurdum zu führen. Das Klangbild des Ensembles ließ es an Schönheit an keiner Stelle fehlen.
Es muss hier aber dringend betont werden, dass es in diesem Konzert keinesfalls seicht zuging. Schon bei Fauré tauchten die pfiffigsten Ausbrüche auf. Freilich nur kurz und vergleichsweise verhalten, und doch mit nicht weniger Witz und Temperament. Selbst Debussys Violoncello-Sonate d-Moll war eine große Vitalität und Energie eigen. Die freie Stimmführung der beiden Instrumente suchte allerdings vielmehr den improvisatorisch-erzählerischen Charakter. Das Narrative Element machte die Geschichte überaus spannend, denn Debussys Sonate lebt von Bildern, die bei der Commedia dell’arte angesiedelt sind.
Den ironischen Zug machte weit intensiver die Interpretation der Klarinettensonate von Francis Poulenc zum Thema. Zumindest im feurigen Schlusssatz, der so überaus typisch für die Bläsermusiken Poulencs ist. Im Angedenken an den damals bereits verstorbenen Komponisten Arthur Honegger geschrieben, beherrscht in erster Linie eine ungewohnte Ernsthaftigkeit, ja Trauer die Komposition. Doch das Trio Messina, Perraud und Kouider vermochte auch den grotesken Zug der Poulenc-Musik geschickt einzuflechten und den scheinbaren Widerspruch als eine besondere Qualität des Werkes herauszustellen.Ein wohltuender Kammermusikabend vom geisterfrischenden Charakter. Zwei Mendelssohn-Zugaben nach lang anhaltendem, frenetischem Applaus.
Reinhard Palmer, 20.02.2016
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.