Direkt zum Inhalt

Nach(t)kritik

So, 25.02.2018
19.00 Uhr

Frei atmender Sauger

Veranstaltung: Django Asül: Letzte Patrone

Wenn Django Asül nach Gauting kommt, geht’s zügig zur Sache. 19 Uhr Programmbeginn, gegen 20 Uhr Pause samt Pausengesprächen zwecks frischem Kabarett-Material, kurz nach 21 Uhr dann ein paar Autogramm-Minuten mit anschließender Heimfahrt, vermutlich nach Hengersberg, wo der 46-Jährige daheim ist. Asüls Kabarett-Abend ist gewissermaßen die logische Antwort auf die Ökonomisierung aller Lebensbereiche: Ein rasend schneller Rede- und Pointen-Fluss, hin und wieder ein Hinweis auf den PS-starken Bi-Turbo, dem „frei atmenden Sauger“, mit dem Django unterwegs ist, dazu als bewährtes Prinzip die Vereinfachung noch so komplexer Sachverhalte, denn von umständlichen Welterklärern haben die Leute die Nase voll. „Letzte Patrone“ heißt seit 2016 das mittlerweile sechste Solo des blitzgeschwinden Maulhelden mit den türkischen Wurzeln und der niederbayerischen Sozialisation, und es wirkt beim zweiten Auftitt im Bosco ein bisserl wie Asüls ganz persönlicher Kabarett-Showdown. Der Mann mit der klischeehaften Physis eines schlecht gelaunten Gemüsehändlers aus Anatolien kokettiert allen Ernstes in naher Zukunft „mit der Übergabe meines Kabarett-Geschäfts“ an würdige Nachfolger, und in Frage kommen da offenbar Djangos obergescheite Nichten, aktuell sechs und drei Jahre alt. Hört man sich die Inhalte seines Programms an, könnte man durchaus auf die Idee kommen, dass da einer ziemlich satt ist. Oder dass er es satt hat, sich mit den ewigen Absurditäten von Tagespolitik zu beschäftigen und daraus etwas Verwertbares zu pressen. Asül selbst sagt, dass er sich diese Kärrnerarbeit für seine „Jahresbilanz“ aufhebt, getrennt vom Typen-Kabarett, das er in Gauting abspult.

Routiniert, flüssig, das Timing so, als fiele ihm und seinen Figuren alles gerade erst in dem Moment ein, da er es ungeschützt - und vermeintlich ungebildet - auf die Welt loslässt. So kennt man Asül auf den (eher süddeutschen) Bühnen der Republik seit über 20 Jahren. Er schuf einst jene Figur, die den deutsch-türkischen Migranten der ersten Generation, also auch seinem eigenen Vater, eine Stimme gab, er besetzte dieses Terrain lange Zeit sogar ganz alleine. Und das Geniale an diesem dramatischen Ausmaß an Unverständnis für die modernen Zeiten war zugleich das Tröstliche für all jene, die auch nicht mehr so recht mitkamen, auch wenn sie sich als Deutsche womöglich für „was Besseres“ hielten. Und heute? Asül betrachtet zum Beispiel das Flüchtlingsthema aus der Sicht eines niederbayerischen Stammtischbruders, d.h. er schlüpft so geschickt in die Sprechrollen, dass man die Skepsis des Hengersberger Privatmenschen nicht mehr so recht unterscheiden kann von den Tiraden all der Dumpfbacken, die landauf, landab immer mehr salonfähig werden. Schön unkorrekt ist das, aber auch irgendwo kalkuliert, denn Django bedient immer auch ein bierzelttaugliches Publikum, nicht bloß vornehm hüstelnde Abonnenten. Seine Feststellung, „je diffuser die Ängste einer Gesellschaft, desto eher wird die Schrotflinte empfohlen“, trifft es ziemlich gut: Asül sammelt O-Töne und gibt sie wieder, mit Gscheidhaferl-Analysen hält er sich bei der „letzten Patrone“ weitgehend zurück.

Vielleicht ist er ja auch hin- und hergerissen zwischen kauzigen Betrachtungen zum Alterungsprozess des Durchschnittsdeutschen und der Entmythologisierung der griechischen Götter, zwischen „Europa ist nicht Kontinent, sondern inkontinent“ einerseits und der Geschäftsidee, Weißwürste für Muslime zu kreieren: „Senf weglassen!“ Einer, der das gesamte Politik-Establishment wortklug sezieren kann, braucht eventuell mal eine Erholungspause beim Pointen-Billigheimer, warum auch nicht? Im Bosco lieferte Asül diesmal deutlich mehr „Stammtisch“ als „Seminar“ ab, aber genau das fanden die Leute unterhaltsam. Geschichte, interpretiert als Abfolge von Fußballweltmeisterschaften, das erreicht heutzutage ja auch mehr Menschen als „ZDF History“. Asül macht also alles richtig, er spiegelt als Entertainer die Zeitläufte. Ob ihm das noch lange Spaß machen wird oder ob er sich irgendwann als PS-starker Kabarettist unterfordert fühlt, bleibt abzuwarten.

Thomas Lochte, 25.02.2018


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.