Nach(t)kritik
Gewichtige Materie
Veranstaltung: Halina Bertram, Klavier: Brahms, Beethoven, Janáček, SchumannKlavierabende sind per se schon sehr intensive künstlerische Ereignisse, wie es im Grunde alle solistische Auftritte sind. Für die in Gauting lebende Pianistin Halina Bertram gilt dies aber ganz besonders, zeugen doch ihre Konzertprogramme stets vom Ansinnen, sich das Leben nicht gerade leicht machen zu wollen. Wobei der Schwierigkeitsgrad nicht unbedingt nur den spieltechnischen Aspekt betrifft, vielmehr auf die in der Musik so schwer fassbare Komponenten abzielt wie Ausdrucksrhetorik, Spannungsaufbau, gedankliche Konsistenz, inhaltliche Aussagen etc. Die Schwierigkeiten auf diesen Ebenen scheinen Bertram besonders zu reizen, doch nicht etwa, um diese Komplexität zu demonstrieren, als vielmehr um Interpretationen zu liefern, die so wirken, als wäre alles in diesen Kompositionen klar und selbstverständlich.
Gerade die spieltechnische Meisterschaft der aus Prag stammenden Pianistin täuschte leicht über die interpretatorische Klippen hinweg. Und dies gleich mit dem ersten Werk, den „Sechs Klavierstücken“ op. 118 von Brahms, die mit ihren Bezeichnungen als Intermezzi, Ballade und Romanze ihre Gewichtigkeit zu leugnen versuchen. De facto hat Brahms im Alter von rund 60 Jahren in diesen sechs motivisch zusammenhängenden Stücken seine ganze pianistische Trickkiste verborgen, die Bertram auch mit großer Sorgfalt und Einfühlsamkeit in der Differenzierung auspackte – und vor allem mit einem ausgeprägten Sinn für Klang und seine Reize ausformte. Sie versteht sich darauf, schlüssige Spannungsbögen zu ziehen und selbst noch so heterogene Abfolgen einer klaren und treffenden Dramaturgie zu unterziehen. Das war vielleicht in Beethovens Les-Adieux-Sonate op. 81a weniger kompliziert, ist dieses Werk mit seinem programmatischen Hintergrund leichter zu verstehen. Aber auch diese Sonate stellt schon enorme Anforderungen an die Interpreten, beginnend gleich mit einer freien Intro, die für den gesamten Spannungsbogen von geradezu entscheidenden Bedeutung ist. Bertram weißt so etwas und liefert an solchen Stellen klare und entschiedene Lösungen, die ihr viel Gestaltungsspielraum eröffnen.
Letzteres war in Janáčeks „Sonate 1.X.1905“ geradezu von fundamentaler Bedeutung, sind doch die erhaltenen Sätze „Die Vorahnung“ und „Der Tod“ von gewichtiger Charakteristik. Aufgewühlt und visionär beginnend, durchlief Bertram ein weites Spektrum zwischen wehmütiger Zartheit und verzweifeltem Hineinstürzen in die musikalischen Fluten einmal mehr mit klarer Dramaturgie, die der gesellschaftspolitischen Dimension des Werkes zum Gedenken an einen bei Demonstrationen in Brno ermordeten Arbeiter mit einer gewissen Sachlichkeit gänzlich gerecht wurde. Der Geschichte folgend mit einem tragischen Ausgang als einem sinnierend-erzählenden Epilog.
Bei Beethoven gibt es hingegen ein Happy-end in der Rückkehr des Erzherzogs Rudolf, der zuvor mit der ganzen kaiserlichen Familie vor den napoleonischen Truppen fliehen musste. Nach einem emotional bewegten Lebewohl, einer innig ausgesungenen Abwesenheit gab Bertram das Wiedersehensglück mit einer freudigen Euphorie in perlender Pianistik gegenüber zarten, lyrischen Moll-Passagen.
So klar ausgeprägte Aussagen verbarg auch Schumann in seiner Fantasie C-Dur op. 17. Doch um wie viel komplexer strukturiert! Die Angst, seine geliebte Clara verloren zu haben, trieb den 26Jährigen um. Auch er zog alle Register der Ausdrucksdifferenzierung, um immer wieder mit zarter Liebe und sattem Auflehnen aus den verzweifelten Fluten aufzutauchen. Im Kontrast erschien der zweite Satz geradezu euphorisch mit überraschenden Wendungen zu diversen Charakteren. Weit überraschender war aber das Finale, das Bertram mit einer empfindsamen thematischen Linie über einem seelentiefen Wogen auf eine weite Reise mitnahm. Bertram tauchte alles in sinnierende Leichtigkeit und verlieh dem Satz eine gewisse Magie, der trotz lang anhaltenden, frenetischen Applauses keine Zugabe folgen durfte.
Gerade die spieltechnische Meisterschaft der aus Prag stammenden Pianistin täuschte leicht über die interpretatorische Klippen hinweg. Und dies gleich mit dem ersten Werk, den „Sechs Klavierstücken“ op. 118 von Brahms, die mit ihren Bezeichnungen als Intermezzi, Ballade und Romanze ihre Gewichtigkeit zu leugnen versuchen. De facto hat Brahms im Alter von rund 60 Jahren in diesen sechs motivisch zusammenhängenden Stücken seine ganze pianistische Trickkiste verborgen, die Bertram auch mit großer Sorgfalt und Einfühlsamkeit in der Differenzierung auspackte – und vor allem mit einem ausgeprägten Sinn für Klang und seine Reize ausformte. Sie versteht sich darauf, schlüssige Spannungsbögen zu ziehen und selbst noch so heterogene Abfolgen einer klaren und treffenden Dramaturgie zu unterziehen. Das war vielleicht in Beethovens Les-Adieux-Sonate op. 81a weniger kompliziert, ist dieses Werk mit seinem programmatischen Hintergrund leichter zu verstehen. Aber auch diese Sonate stellt schon enorme Anforderungen an die Interpreten, beginnend gleich mit einer freien Intro, die für den gesamten Spannungsbogen von geradezu entscheidenden Bedeutung ist. Bertram weißt so etwas und liefert an solchen Stellen klare und entschiedene Lösungen, die ihr viel Gestaltungsspielraum eröffnen.
Letzteres war in Janáčeks „Sonate 1.X.1905“ geradezu von fundamentaler Bedeutung, sind doch die erhaltenen Sätze „Die Vorahnung“ und „Der Tod“ von gewichtiger Charakteristik. Aufgewühlt und visionär beginnend, durchlief Bertram ein weites Spektrum zwischen wehmütiger Zartheit und verzweifeltem Hineinstürzen in die musikalischen Fluten einmal mehr mit klarer Dramaturgie, die der gesellschaftspolitischen Dimension des Werkes zum Gedenken an einen bei Demonstrationen in Brno ermordeten Arbeiter mit einer gewissen Sachlichkeit gänzlich gerecht wurde. Der Geschichte folgend mit einem tragischen Ausgang als einem sinnierend-erzählenden Epilog.
Bei Beethoven gibt es hingegen ein Happy-end in der Rückkehr des Erzherzogs Rudolf, der zuvor mit der ganzen kaiserlichen Familie vor den napoleonischen Truppen fliehen musste. Nach einem emotional bewegten Lebewohl, einer innig ausgesungenen Abwesenheit gab Bertram das Wiedersehensglück mit einer freudigen Euphorie in perlender Pianistik gegenüber zarten, lyrischen Moll-Passagen.
So klar ausgeprägte Aussagen verbarg auch Schumann in seiner Fantasie C-Dur op. 17. Doch um wie viel komplexer strukturiert! Die Angst, seine geliebte Clara verloren zu haben, trieb den 26Jährigen um. Auch er zog alle Register der Ausdrucksdifferenzierung, um immer wieder mit zarter Liebe und sattem Auflehnen aus den verzweifelten Fluten aufzutauchen. Im Kontrast erschien der zweite Satz geradezu euphorisch mit überraschenden Wendungen zu diversen Charakteren. Weit überraschender war aber das Finale, das Bertram mit einer empfindsamen thematischen Linie über einem seelentiefen Wogen auf eine weite Reise mitnahm. Bertram tauchte alles in sinnierende Leichtigkeit und verlieh dem Satz eine gewisse Magie, der trotz lang anhaltenden, frenetischen Applauses keine Zugabe folgen durfte.
Reinhard Palmer, 06.05.2018
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.