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Nach(t)kritik

Fr, 12.01.2018
20.00 Uhr

Gradebiegen

Veranstaltung: Zu Zweit: FAKE NEWS

Damals, als die Welt noch analog war, genügte das Wachsen einer Nase als Indiz für Falschnachrichten, zumindest bei Kind gewordenen Holzpuppen mit roten Kappen. Heute haben Lügen weder lange Nasen noch kurze Beine, sondern jede Menge Klicks und Likes und lachende oder traurige Smileys, je nach Inhalt. Sie werden über Twitter verbreitet oder durch die Blockflöten-WhatsApp-Gruppe, und der unangefochtene Meister im Erfinden und Streuen von Geschichten mit Nasenwachspotential sitzt seit einem Jahr im Weißen Haus und behauptet von allem, was ihm nicht gefällt, dies seien Fake-News. Eine Steilvorlage für Kabarettisten, die Tina Häussermann und Fabian Schläper - als Duo sind sie „Zu zweit“ - für ihr aktuelles gemeinsames Programm gut und gerne aufnehmen. „Fake News - Balken biegen für Fortgeschrittene“ heißt die von Jo van Nelsen inszenierte Show, die jeden derzeit im Zweifel darüber lässt, was von dem Dargebotenen nun stimmt und was gefaked, geschummelt, geschwindelt ist.

Zum Beispiel der Anfang: das Saallicht ist noch an, da stürmen die beiden Künstler durch den Saal nach vorne, Rollenkoffer im Schlepptau und Räuberzivil am Leib, um sich gestenreich und wortgewaltig beim Publikum fürs Zuspätkommen zu entschuldigen. Die portablen Mikrophone habe man per Handy noch während der Fahr mit Markus Sternagel, dem hauseigenen Techniker, gecheckt und steckt sie sich jetzt rasch an, während im Plauderton vom Stau und anderen Tücken der Herfahrt berichtet wird. In der Pause schon und noch nach der Vorstellung wird heftig im Publikum darüber diskutiert, ob dies nun zur Show gehört oder wirklich so war. 

Die Rollenkoffer werden später zu Sitzgelegenheiten im perfekt choreographierten Ablauf, noch etwas später zu Trommeln für einen der vielen Songs des Programms. Im zweiten Teil dann tragen die beiden Künstler das im Koffer mitgebrachte Show-Outfit und lassen, nun endlich „bühnenreif“, die Balken weiter biegen, was das Zeug hält. Aus dem Publikum werden zwei Teams gebildet, die Fake News von wahren Nachrichten unterscheiden sollen. Und bunt wie der Umgang mit der Wahrheit ist der ganze Abend, sind die wie beiläufig, wie spontan entstehenden kurzen Dialoge über das echte Leben mit Familie (sie) oder mit Mann (er), über den Irgendwie-doch-spießig-Alltag im schwulen wie im Hetero-Heim, übers Älter - pardon: Erwachsen - werden und den zu all dem gehörenden Umgang mit der sogenannten Wahrheit. Was stimmt, was man so wahr nimmt, und was ist bloß ein Gerücht oder gar falsch? 

Es ist viel „Quatschgemache“ dabei, so wie der Flyer zum Programm es auch verspricht. Aber es sind auch eine ganze Reihe perfekt auf den Punkt gebrachter Dialoge dabei. Und so richtig gut sind Häussermann und Schläper in jenen Songs, die von der Sprachlosigkeit gegenüber den großen Gefühlen erzählen. Die Szenen beschreiben wie jene am Bahnhof, wo am Bahnsteig gegenüber das verpasste Leben zu warten scheint. Die das Wort mit „L“ besingen und es einfach nicht aussprechen beim „Ich l….. dich“. Die mit der Wahrheit ringen, die von keinem Fake zu vertuschen ist und die es dennoch schwer hat, über die Zunge, die Lippen gebracht zu werden. Da biegen sich keine Balken mehr, da werden dieselben zu Ausrufezeichen. Und auch dafür braucht es Fortgeschrittene.

Sabine Zaplin, 12.01.2018


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 12.01.2018 | © Werner Gruban - Theaterforum Gauting e.V.