Nach(t)kritik
Gute Zeiten für Blues
Veranstaltung: 9. Gautinger Bluesnacht: Mojo Blues Band "Blues for your heart & soul"Die USA sind groß. Das mag sogar von der Weltstadt Wien aus gesehen so erscheinen. Und doch schafft es die Mojo Blues Band, in ihrem atemraubend dichten, in kontinuierlicher Bewegung gehaltenen Konzert, zwischen Chicago und New Orleans, Mississippi und Hawaii zu springen, ohne sich zu verfransen. Im Gegenteil, bei aller Stil-Pluralität wirkt das Programm der legendären Blues-Band bei allem Freiraum konzis, zusammengehalten durch Bühnen-Charisma und umwerfende Musikalität.
Dass die Österreicher fabelhafte Musik machen, hat sich herumgesprochen – das inzwischen dritte Konzert der Band im Bosco ist ausverkauft. Man musste sich also Mühe geben, um Bandleader Erik Trauner diesen Satz sagen zu hören: „It’s Blues time. Seids ihr bereit?“ Man ist bereit, den durchweg wippenden Fußspitzen nach zu urteilen, von denen sich manche gegen Ende zu einem veritablen Free-Style-Tanz hinreißen lassen. Verwundern kann das keinen, wenn Erik Trauner und seine Truppe schon zur Einstimmung den Saal mit Lu Ann Simms’ „I Wanna Hug You, Kiss You, Squeeze You“ zum Kochen bringt, mit rhythmischem Drive und einer laid-back Performance, die in puncto Coolness ihresgleichen sucht.
Dabei gönnen sich die Herren keine Pause. Die Mojo Blues Band ist ein rasante Blues-Klänge von sich gebendes Perpetuum Mobile, das im Laufe des Abends immer mehr an Fahrt aufnimmt und das Publikum dabei mitreißt. „Got My Mojo Working“, der in der Version von Muddy Waters berühmt gewordene Song, ist hier als ironischer Kommentar zu verstehen – „Got my mojo working, but it just won’t work on you“, heißt es da. Doch das Mojo, diese unerklärliche Anziehungskraft, funktioniert an diesem Abend problemlos, unabhängig von Tempo und Stil.
So überzeugt der gefühlvolle, von Erik Trauner andeutungsweise brüchig intonierte Chicago Blues „But I Forgive You“ ebenso wie der mit Siggi Fassls Goldkehle neu zum Strahlen gebracht R&B-Klassiker „Don’t You Know I Love You“. Und selbst Experimente, die Puristen den Schweiß auf die Stirn treiben würden, gelingen hier. Für den klassischsten aller klassischen Blues-Songs, den „St. Louis Blues“, setzt sich Trauner auf den Bühnenrand und legt sich die Gitarre auf die Knie. Warum? Weil er, wie er selbst erklärt, großer Fan der Musik aus Hawaii sei und man dort die Gitarre so spiele.
Das integrative Talent der Gruppe wird auch spürbar, wenn sie ohne Weiteres Ludwig Seuss in ihre Mitte lässt. Seuss ist für die Jazz-Reihe des Bosco verantwortlich und nun auch für klaren Klavierklang etwa in Clifton Cheniers „I’m Coming Home“. Überflüssig zu sagen, dass das ohnehin gründlich aktivierte Publikum nach der Schlussnummer „Promised Land“ und einer Zugabe noch lange hätte weiterhören können, wenn nicht die Band sich schon verabschiedet hätte.
Erik Trauner fasst es in seinem unnachahmlich präzisen Wiener Charme zusammen: „Wenn die Zeiten scheiße sind, ist die Musik gut.“ Die Musik der Mojo Blues Band ist sehr gut.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.