Nach(t)kritik
I Like It
Veranstaltung: The Stimulators: Südstaatengroove, Latino-Feuer und Bluesfeeling„Willkommen im Wald!“, begrüßt Peter Schneider das Publikum zum Auftakt des Konzerts. Damit meinte er ja eigentlich die deutsche Übersetzung von bosco, aber es hätte auch zum eindrucksvollen Instrumenten-Dickicht gepasst, das „The Stimulators“ auf der Bühne errichtet hatten. Allseits war die Vorfreude zu spüren, dass endlich wieder eine der knackigsten Live-Formationen zu erleben war, die es seit gut zwei Jahrzehnten gibt im süddeutschen Raum: Nachdem die Staatsregierung Anfang der Woche huldvoll verkündet hatte, dass in Kulturstätten wieder 50 statt 25 Prozent Besucherauslastung erlaubt sind, juckt es natürlich auch so begnadete Musiker wie die 1998 von Schneider in Dachau gegründeten „Stimulators“ in den Fingern, Lebenszeichen zu senden. Und die treuen Fans, teils sogar noch „last minute“ von überall herbeigeeilt, die wussten ganz genau, was sie während der großen pandemischen Depression so schmerzlich hatten vermissen müssen: Handgemachten, kraftvollen Sound zum Füße-Wippen, der Lust auf Tanzen macht und gute Laune erzeugt.
Mit „Ride Your Donkey“, einem frühen Reggae-Hit von 1964, ging´s wunderbar lässig los, gefolgt von der Eigenkomposition „Rock Steady Cumbia“ im Stil jener Zeit vor Bob Marley & Co., als sogar auf Jamaika noch der Ska den Ton angab. „Ist eine Art Auftragswerk unseres Gitarrenbauers“, erzählt Schneider – der wollte sich offenbar lieber mit Musik entlohnen lassen als mit schnödem Geld. Und weiter wurde munter im jüngsten „Stimulators“-Album Travelogue (zu deutsch: Fahrtenbuch) geblättert, das unter anderem die Hommage „Django Style“ an den Gipsy Swing-Gott Django Reinhardt enthält und noch dazu den Johnny-Depp-Auftritt aus dem Film „Chocolat“ zitiert – um die Texte kümmert sich übrigens meist Leadsänger und Ko-Gitarrist Oliver Stephan, der notfalls auch die Gabe einer schmutzig-rauen Stimme à la Tom Waits entwickelt, doch davon später. Die sechs Stimulatoren zeigten auch nach längerer Konzertpause ohne Umschweife, wie stilsicher sie fast überall zu Hause sind - Reggae und Ska, Swing, langsamer Blues, R & B, Jazz, Latin. Immer wieder sogar mit Übergängen von einer zur anderen Gangart innerhalb eines einzigen Stücks. Diese Arrangements sind derart geschmeidig und technisch souverän, dass sie wie der Inhalt eines üppigen musikalischen Früchtekorbs schmecken, besonders saftig wirkte das von Blues zu Latin changierende „I Wish You Would“, bei dem sich Peter Schneider an seiner Solo-Gitarre erstmals so richtig austoben kann. Ebenso glänzt hier der vorzügliche Trompeter Florian Sagner, allerdings an den Kongas. Mit Thomas Roth am Altsaxophon hatten „The Stimulators“ diesmal an Stelle ihres Stammspielers Marcio Tubino (sax, flute, perussion, vocals) einen Rückkehrer dabei, der an der Seite bzw. im Wechsel mit Sagner teils groß aufspielte, als wäre er keinen Tag weg gewesen. Unverzichtbar im „Mannschaftsgefüge“ auch Uli Lehmann am Bass und Hans Mühlegg an den Drums.
Es gibt wohl kaum eine vergleichbare Formation, die sich so trittsicher in den verschiedenen Stilarten bewegt und so offen ist für neue Einflüsse: Der Sahara-Sound in „Hotel Usbekistan“ etwa sei von einem Touareg-Festival inspiriert worden, das Florian Sagner einst besucht hat, berichtet Schneider. Und den großen alten Meistern wie Duke Ellington wird mit einer atemberaubenden „Caravan“-Interpretation auch gehuldigt, sozusagen einmal Wüste und zurück auf dem Umweg über die Karibik. Dann noch vor der Pause ein Schuss Salsa mit dem Stück „Caipirinha“ – das durstende Publikum kalauert passender Weise „Kein Pirinha“, denn die bar rosso hat Corona-bedingt leider weiterhin geschlossen.
Teil 2 dieses Erweckungsabends ist dann vor allem bluesigen Bravour-Nummern vorbehalten, die Schneider und seine Leute bereits „auf unserer zweiten und dritten CD“ vor Jahren eingespielt haben: Ausnahme ist allenfalls das enorm lässige „Men Cool, Women Cooler“, aber in „Man Over Board“ zeigt Schneider dann so richtig seine Genialität als Gitarrist, gefolgt fast noch von einer Steigerung im Jive-artigen „House Full Of Liquor“, der einem live geradezu den Hut vom Kopf pustet (falls man denn einen auf hatte). Hier ist auch das Gebläse (Sagner und Roth) wieder im Feuerwehreinsatz, alles schön laut und mit treibendem Elan – Ach, dass man so was noch erleben darf, seufzet heimlich die alte Konzertgänger-Seele!
Wäre nicht doch noch irgendwie Pandemie und früher Zapfenstreich gewesen, das Publikum hätte die „Stimulators“ ganz gewiss nicht mit nur einer Zugabe „davonkommen“ lassen: Wie am Anfang war´s ein entspannender Gute-Laune-Reggae mit dem Titel „I Like It“ und begleitet von den Abschiedsworten Peter Schneiders, adressiert an Omikron & Co.: „Ich hoffe, dass dieser ganze Irrsinn bald vorbei ist.“
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.