Nach(t)kritik
Isabelle Faust, Jean-Guihen Queyras und Alexander Melnikov: Seeleneinblicke
Veranstaltung: Isabelle Faust, Alexander Melnikow & Jean-Guihen Queyras: Leidenschaft, Biss und WärmeEs war keine leichte Kost, die hier das Trio mitbrachte. Man kann es auch so sehen: Es nahm das Publikum ernst und traute ihm schon etwas zu. Und letztendlich kann eine Konzertreihe nur so gut sein, wie ihr Publikum ist – vom Fachverständnis her. Und Letzteres war mit der Komposition von Salvatore Sciarrino schon sehr gefordert. Das Trio Nr. 2 ist zwar nicht gerade das glücklichste Werk des 1947 in Palermo geborenen Komponisten. Das unentwegte Zwitschern der Streicher in Flageolett-Höhen, gelegentlich unterbrochen durch Nachhall-Obertöne vom Gehämmer auf dem Flügel, stand hier aber vor allem für ein anderes Konzept in der Gattung des Klaviertrios.
Die tradierten Formen spielen für Sciarrino keine Rolle. Feste Figuren tauchten hier allenfalls als Pattern (wiederholte Muster), also als Struktur auf. Ansonsten besteht die Musik des Sizilianers aus Klangfarbe, Stille und Raum. Ein Paradoxon: Trotz der Kargheit der Mittel bedeutet seine Musik eine Erweiterung der Gattung in neue Dimensionen.
Für Isabelle Faust (Violine), Jean-Guihen Queyras (Violoncello) und Alexander Melnikov (Klavier) bedeutete dies indes höchste Konzentration. Eine Musik, die kaum Orientierungsmarken bietet, auf endlosen Wiederholungen basiert sowie spieltechnisch ausschließlich aus Finessen besteht, fordert schon ungemein.
Eine schwere Kost ist aber auch das erste der beiden Schumann-Klaviertrios, das an keiner Stelle ein sorgloses, gar richtig lustvolles Drauflosmusizieren erlaubt. Die späten Werke Schumanns, zu denen das Trio g-Moll op. 110 gehört, sind einst nicht zufällig auf Unverständnis des Publikums gestoßen. Wie das Trio Faust, Queyras und Melnikov das Werk auffasste, bekam es auf alle Fälle einen überraschend intimen Charakter. Das lag wohl in erster Linie daran, dass es dem glänzend aufeinander abgestimmten Ensemble möglich ist, weit in die zartesten Äußerungen abzutauchen, wo Klänge zu Klangspuren werden, die so wirken, als würden die Töne gleich kraftlos in sich zusammenfallen. In solchen Momenten geben sich Interpreten und Komponisten die Blöße, legen ihre empfindlichsten Stellen offen. Und das ist beim von der Krankheit bereits gezeichneten Schumann ein wichtiges Moment. Besonders in der geisterhaften Passage im Kopfsatz, die plötzlich das von einem fahrig nach oben schnellendem Motiv beherrschte Feld in Beschlag nimmt.
Es ist schon eine großartige Leistung, Schumanns quälende Rastlosigkeit und Abwehrhaltung gegenüber der drückenden Verfassung musikalisch zu erfassen. Im Scherzo zwei Dur-Trios zu spielen, die nicht heiter werden wollen, genauso wenig wie schließlich das burleske Finale. Wunderbar erklang der langsame Satz zwischen einer sanft melancholischen und einer leidenschaftlich dramatischen Thematik, die für emotionale Tiefe sorgten.
Das Trio B-Dur op. 99 von Schubert ließe eine ähnliche Charakteristik vermuten. Der Komponist war auch von der Krankheit gezeichnet und mit gerademal 30 Jahren am Ende seines Lebens angelangt. Faust, Queyras und Melnikov zeichneten aber keinen wirren Geist, keinen leidenden Menschen. Sondern vielmehr einen hellwachen Intellekt, der sich mit völliger emotionaler Öffnung noch einmal ans Leben wendet, an ihm teilnehmen zu dürfen. Wunderbar vital und mit zauberhafter Leichtigkeit ging das Ensemble den Kopfsatz an, um im zweiten Thema diese typische betörende Lyrik Schuberts feinst geformt auszusingen. Vom zweiten Satz konnte man hier kaum genug bekommen. Die Empfindsamkeit des Trios in runder Homogenität deckte darin den unwiderstehlichen Zauber der Spätwerke des Komponisten in reinster Form auf. Genauso im Scherzo-Trio, eingebettet in unbeschwerte Heiterkeit.Als zwischen lyrischer Melodik und leichtem Galopp das fesselnde Finale zu Ende ging, war ein frenetischer Applaus sicher. Die ausgedehnte Zugabe (Schumanns langsamer Satz aus op. 80) bot einen überaus geistvollen Einblick in die Seele des Komponisten, wie man ihn selten erhascht.
Die tradierten Formen spielen für Sciarrino keine Rolle. Feste Figuren tauchten hier allenfalls als Pattern (wiederholte Muster), also als Struktur auf. Ansonsten besteht die Musik des Sizilianers aus Klangfarbe, Stille und Raum. Ein Paradoxon: Trotz der Kargheit der Mittel bedeutet seine Musik eine Erweiterung der Gattung in neue Dimensionen.
Für Isabelle Faust (Violine), Jean-Guihen Queyras (Violoncello) und Alexander Melnikov (Klavier) bedeutete dies indes höchste Konzentration. Eine Musik, die kaum Orientierungsmarken bietet, auf endlosen Wiederholungen basiert sowie spieltechnisch ausschließlich aus Finessen besteht, fordert schon ungemein.
Eine schwere Kost ist aber auch das erste der beiden Schumann-Klaviertrios, das an keiner Stelle ein sorgloses, gar richtig lustvolles Drauflosmusizieren erlaubt. Die späten Werke Schumanns, zu denen das Trio g-Moll op. 110 gehört, sind einst nicht zufällig auf Unverständnis des Publikums gestoßen. Wie das Trio Faust, Queyras und Melnikov das Werk auffasste, bekam es auf alle Fälle einen überraschend intimen Charakter. Das lag wohl in erster Linie daran, dass es dem glänzend aufeinander abgestimmten Ensemble möglich ist, weit in die zartesten Äußerungen abzutauchen, wo Klänge zu Klangspuren werden, die so wirken, als würden die Töne gleich kraftlos in sich zusammenfallen. In solchen Momenten geben sich Interpreten und Komponisten die Blöße, legen ihre empfindlichsten Stellen offen. Und das ist beim von der Krankheit bereits gezeichneten Schumann ein wichtiges Moment. Besonders in der geisterhaften Passage im Kopfsatz, die plötzlich das von einem fahrig nach oben schnellendem Motiv beherrschte Feld in Beschlag nimmt.
Es ist schon eine großartige Leistung, Schumanns quälende Rastlosigkeit und Abwehrhaltung gegenüber der drückenden Verfassung musikalisch zu erfassen. Im Scherzo zwei Dur-Trios zu spielen, die nicht heiter werden wollen, genauso wenig wie schließlich das burleske Finale. Wunderbar erklang der langsame Satz zwischen einer sanft melancholischen und einer leidenschaftlich dramatischen Thematik, die für emotionale Tiefe sorgten.
Das Trio B-Dur op. 99 von Schubert ließe eine ähnliche Charakteristik vermuten. Der Komponist war auch von der Krankheit gezeichnet und mit gerademal 30 Jahren am Ende seines Lebens angelangt. Faust, Queyras und Melnikov zeichneten aber keinen wirren Geist, keinen leidenden Menschen. Sondern vielmehr einen hellwachen Intellekt, der sich mit völliger emotionaler Öffnung noch einmal ans Leben wendet, an ihm teilnehmen zu dürfen. Wunderbar vital und mit zauberhafter Leichtigkeit ging das Ensemble den Kopfsatz an, um im zweiten Thema diese typische betörende Lyrik Schuberts feinst geformt auszusingen. Vom zweiten Satz konnte man hier kaum genug bekommen. Die Empfindsamkeit des Trios in runder Homogenität deckte darin den unwiderstehlichen Zauber der Spätwerke des Komponisten in reinster Form auf. Genauso im Scherzo-Trio, eingebettet in unbeschwerte Heiterkeit.Als zwischen lyrischer Melodik und leichtem Galopp das fesselnde Finale zu Ende ging, war ein frenetischer Applaus sicher. Die ausgedehnte Zugabe (Schumanns langsamer Satz aus op. 80) bot einen überaus geistvollen Einblick in die Seele des Komponisten, wie man ihn selten erhascht.
Reinhard Palmer, 17.10.2015
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.