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Nach(t)kritik

Fr, 22.04.2016
20.00 Uhr

Kabarett auf Kreditkarte

Veranstaltung: Robert Griess: Ich glaub' es hackt!

Das Interessante an einem Kabarettabend ist ja, dass sich alle immer so einig sind - der Künstler und sein Publikum. Da hagelt es Seitenhiebe auf Politiker, auf die Regierungspolitiker ebenso wie auf jene der Opposition; und im Saal brandet der Applaus auf. Dann sind die Manager und Wirtschaftsbosse dran, und wieder wird vergnügt und zustimmend applaudiert. Ob Steuerhinterzieher, Öko-Ideologen oder Fußball-Fans - keiner wird verschont, jeder Gag stößt auf Begeisterung. Fast mag es scheinen, als säßen im Publikum nur kritisch aufgeklärte Steuerzahler mit Durchschnittseinkommen und progressiv politischer Einstellung. Auch in Gauting. Einer wenigstens war ehrlich. Als Robert Griess, der ein weiteres Mal mit seinem aktuellen Programm „Ich glaub, es hackt“ im bosco gastierte, in einer Nummer davon sprach, dass schließlich jeder ein bisschen vorankommen will bei seiner Suche nach dem Glück, meinte einer von hinten: „Das hier ist Gauting. Wir haben das Glück längst.“
Der eine oder andere, die Griess mit seinen satirischen Spitzen eigentlich treffen wollte, saß gewiss irgendwo mit im Saal und amüsierte sich königlich. Über die Nummer mit dem Fünf-Sterne-Resort in der marokkanischen Wüste zum Beispiel, in der eine Gruppe BWLer zur Tarnung einen Kabarettisten gebucht hatte. Über die Rolle des dreimal geschiedenen skrupellosen Geschäftsmanns. Oder über das Wortspiel zum Geld, das man für sich arbeiten lässt, während andere für Geld arbeiten müssen. Der durchschnittliche Kabarettbesucher hat aufgrund seiner akademischen Bildung, die sein kritisches Bewusstsein bestimmt und seine Unterhaltungsvorliebe für (mehr oder weniger) anspruchsvolle Satire geprägt hat, eben auch das entsprechende Einkommen. Und kann darum auch entspannt über sich selber lachen. 

Robert Griess wird dies wissen. Und so zielt sein eher klassisch gebautes Kabarett im Kölsch angehauchten Plauderton, angereichert durch ein paar Rollen-Nummern - mal als besagter Geschäftsmann, mal als nörgelnder Grünen-Politiker - auf den gebildeten, gesettelten  Gleichaltrigen. Vieles an seinem Programm war solide Hausmannskost, verträglich gewürzt, manchmal ein bisschen viel Ketchup und Mayo draufgegeben, insgesamt gut bekömmlich. Ein paar Nummern aber waren darunter, die herausfielen und darum zum Glück irritierten. Die Frage nach den effektiven Geschäftsmodellen beispielsweise, zu denen auch seit ein paar Monaten die Investition in Schlauchboote zählt, die man dann doppelt und dreifach belegt und sich jeden dieser Plätze in vierstelliger Dollarhöhe bezahlen lässt. Oder die Geschichte mit den Krankenschwestern, die aufgrund ihrer Gier nach den jährlich auszuzahlenden Boni die Krankenhäuser ruinieren. Mit solchen mal schärfer gewürzten Spitzen gelang es Griess immer wieder, das allgemeine Einverständnis für einen Moment aufzurauen und Seegang in den Saal zu bringen. Und dann hackt es tatsächlich mal.

Sabine Zaplin, 23.04.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Fr, 22.04.2016 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting