Nach(t)kritik
Kammermusikalischer Olymp
Veranstaltung: Pavel Haas Quartet & Boris Giltburg, Klavier: Schubert, Schostakowitsch, BrahmsZweifelsohne: Es war eine Sternstunde der Kammermusik, die da das Pavel Haas Quartet und der Pianist Boris Giltburg dem bosco-Publikum bescherten. Gegründet wurde das Quartett 2002, und nach bereits drei Wechseln an der zweiten Violine folgte im vergangenen Jahr auch einer an der Bratsche. Umso mehr erstaunt es, dass es dem Ensemble in den 15 Jahren gelungen ist, eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung hinzubekommen und ein so hohes Niveau zu etablieren. Höchste Präzision, absolute Homogenität in Zugriff, Ausdruck, Klang, Gestaltung und vor allem grandioser Musikalität: Das ist der kammermusikalische Olymp.
Oberste Gebote waren hier einerseits wohlausbalancierte Klangschönheit, andererseits empfindsame Feinsinnigkeit in der Ausgestaltung. Vor allem in Schuberts Rosamunde-Quartett führte dieser Zugriff zu einem äußerst seltenen musikalischen Erlebnis von betörend kultivierter Klanggestaltung. Das Ensemble nahm sich weit zurück, begeisterte bisweilen mit einem klingenden Pianissimo Piano, wie es nur eine großmeisterliche Bogenführung überhaupt erlaubt. Dieses a-Moll-Quartett bietet auch ein reiches Spektrum an Möglichkeiten seelentiefer und berührender Formung, auch wenn es von Schubert vielleicht gar nicht intendiert war. Möglicherweise ging es Schubert um eine wuchtigere Interpretationsweise, hatte er doch mit den Streichquartetten jener Zeit vor, sich einen Weg zur Sinfonie zu bahnen. So ging es dem Komponisten wohl um mehr Substanz und mehr Volumen. Dennoch ist das viersätzige Werk auf die zarte Weise interpretiert alles andere als sinfonisch denkbar. Offenbar ist es Schubert gelungen, eine Zwitterform zu finden, die in feinster Kammermusikalität genauso aufgeht wie in sonst so fulminant-orchestraler Ausdeutung.
Die große Fülle ist bei Schubert eben nicht per se dem Notentext immanent, wie auch die beiden anderen Werke des Abends einer entschiedenen Ausdeutung bedurften. Schon bei Schostakowitsch wählte das Ensemble eine sanfte, zurückhaltende Interpretation, die sich auch mit den großen, scharf rhythmisierten Passagen als vereinbar erwies. Das Ergebnis war ein erzählerisch-philosophische Duktus, der auch in der Entstehungsgeschichte des Werkes verankert ist. Der verstorbenen ersten Ehefrau des Komponisten zum 50. Geburtstag gewidmet, ist es das erste Werk einer Trias, die für Leben, Tod und Auferstehung steht. Es ist ein Werk voller tiefsinniger Gedanken, denen auch eine eigene Zahlenmystik zugrunde liegt.
Man konnte gespannt sein, wie die Musiker hier das Klavierquintett f-Moll von Brahms zu bewältigen vermochten, schlug doch Clara Schumann angesichts der ausladenden Form und inneren Größe der Themen sogar eine orchestrale Besetzung vor, bevor sich Brahms fürs Klavierquintett entschied. Kein Dilemma für das Pavel Haas Quartet. Es behielt die gestalterische Verhaltenheit und die leisen Töne, öffnete aber das Spektrum zur großen, orchestralen Fülle in satter Substanz. So entstand ein enormer Klangraum, in dem sich noch mehr Nuancen und Zwischentöne tummeln konnten, bisweilen in extremen Kontrasten. Boris Giltburg fügte sich hochkonzentriert stimmig bis ins Detail ein, ohne die Klarheit und Transparenz der Streicher zu gefährden. Ganz im Gegenteil: Der israelische Pianist bemühte nichts anderes als perlende Pianistik dafür. Über die Intensität und Dichte seines Parts konnte auch die orchestrale Wirkung erzielt werden, ohne dass Giltburg allzu oft das rechte Pedal bemühte. Kurzum: Die begeisterten, lang anhaltenden Ovationen waren unvermeidbar.
Oberste Gebote waren hier einerseits wohlausbalancierte Klangschönheit, andererseits empfindsame Feinsinnigkeit in der Ausgestaltung. Vor allem in Schuberts Rosamunde-Quartett führte dieser Zugriff zu einem äußerst seltenen musikalischen Erlebnis von betörend kultivierter Klanggestaltung. Das Ensemble nahm sich weit zurück, begeisterte bisweilen mit einem klingenden Pianissimo Piano, wie es nur eine großmeisterliche Bogenführung überhaupt erlaubt. Dieses a-Moll-Quartett bietet auch ein reiches Spektrum an Möglichkeiten seelentiefer und berührender Formung, auch wenn es von Schubert vielleicht gar nicht intendiert war. Möglicherweise ging es Schubert um eine wuchtigere Interpretationsweise, hatte er doch mit den Streichquartetten jener Zeit vor, sich einen Weg zur Sinfonie zu bahnen. So ging es dem Komponisten wohl um mehr Substanz und mehr Volumen. Dennoch ist das viersätzige Werk auf die zarte Weise interpretiert alles andere als sinfonisch denkbar. Offenbar ist es Schubert gelungen, eine Zwitterform zu finden, die in feinster Kammermusikalität genauso aufgeht wie in sonst so fulminant-orchestraler Ausdeutung.
Die große Fülle ist bei Schubert eben nicht per se dem Notentext immanent, wie auch die beiden anderen Werke des Abends einer entschiedenen Ausdeutung bedurften. Schon bei Schostakowitsch wählte das Ensemble eine sanfte, zurückhaltende Interpretation, die sich auch mit den großen, scharf rhythmisierten Passagen als vereinbar erwies. Das Ergebnis war ein erzählerisch-philosophische Duktus, der auch in der Entstehungsgeschichte des Werkes verankert ist. Der verstorbenen ersten Ehefrau des Komponisten zum 50. Geburtstag gewidmet, ist es das erste Werk einer Trias, die für Leben, Tod und Auferstehung steht. Es ist ein Werk voller tiefsinniger Gedanken, denen auch eine eigene Zahlenmystik zugrunde liegt.
Man konnte gespannt sein, wie die Musiker hier das Klavierquintett f-Moll von Brahms zu bewältigen vermochten, schlug doch Clara Schumann angesichts der ausladenden Form und inneren Größe der Themen sogar eine orchestrale Besetzung vor, bevor sich Brahms fürs Klavierquintett entschied. Kein Dilemma für das Pavel Haas Quartet. Es behielt die gestalterische Verhaltenheit und die leisen Töne, öffnete aber das Spektrum zur großen, orchestralen Fülle in satter Substanz. So entstand ein enormer Klangraum, in dem sich noch mehr Nuancen und Zwischentöne tummeln konnten, bisweilen in extremen Kontrasten. Boris Giltburg fügte sich hochkonzentriert stimmig bis ins Detail ein, ohne die Klarheit und Transparenz der Streicher zu gefährden. Ganz im Gegenteil: Der israelische Pianist bemühte nichts anderes als perlende Pianistik dafür. Über die Intensität und Dichte seines Parts konnte auch die orchestrale Wirkung erzielt werden, ohne dass Giltburg allzu oft das rechte Pedal bemühte. Kurzum: Die begeisterten, lang anhaltenden Ovationen waren unvermeidbar.
Reinhard Palmer, 26.11.2017
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.