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Nach(t)kritik

So, 17.11.2024
11.00 Uhr

Klangfarbenspiele

Veranstaltung: Sonntagsmatinée: Julia Fischer präsentiert Anna Naomi Schultsz

Souveräne Spielfertigkeit, sicherer Ton und eine schlicht umwerfende Musikalität. Was braucht man mehr, um als Musikerin zu überzeugen? Nur noch eine Bühne. Deshalb haben sich das Bosco und Julia Fischer aufgemacht, den Nachwuchsmusizierenden ein Podium zu bieten, auf dem sie ihr Können unter Beweis stellen dürfen. „Man kann so viel unterrichten, wie man möchte. Die letzten fünf Prozent kann man nicht beibringen, die muss man auf der Bühne lernen“, sagt Fischer. Für den Auftakt der neuen Reihe „Julia Fischer präsentiert“ hätte sich niemand besser geeignet als die 2004 geborene Geigerin Anna Naomi Schultsz. In der Sonntagsmatinee demonstriert sie nicht nur technische Sicherheit, Ton und Musikalität, sondern auch eine musikalische Reife und Ernsthaftigkeit, die sie schon jetzt als eine Große ihres Fachs ausweisen.

Einen bleibenden Eindruck hinterließ Anna Naomi Schultsz bei Julia Fischer bereits, als man sich kennenlernte. Damals war die Geigerin gerade elf Jahre alt. Julia Fischer erinnert sich: „Es war nicht immer leicht, Anna zu unterrichten. Schon mit elf war sie eine fertige Musikerin. Man konnte ihr nur ein bisschen helfen.“ Wie sicher Schultsz sich durch das immense Geiger-Repertoire bewegt, wird auch in diesem Konzert deutlich.

Mit nicht durch Größe auftrumpfendem, sonder dichtem, kompakt schönem Ton widmet sich Schultsz Beethovens Es-Dur-Sonate (Opus 12 Nummer 3). Konzentriert füllt sie die blitzsauberen Spielfiguren ebenso mit Leben wie die sanft getupften Doppelgriffe, die sich später zu handfest akzentuierten Sforzati auswachsen. Das alles bettet Schultsz in eine stringente Dramaturgie, im Dialog mit ihrer Klavier-Partnerin Chiara Opalio, die nur manchmal etwas stärkere Impulse geben könnte, um mehr von der Extrovertiertheit des Satzes spüren zu lassen. Ganz ins Innere geht dagegen das zentrale Adagio, das Schultsz und Opalio ohne sentimentale Effekte als eine zielgerichtete, expressive Steigerung inszenieren. Und auch das Finale hat nichts Beiläufiges, alles bekommt Gehalt, Form, funkelnden Ausdruck unter den Händen von Anna Naomi Schultsz.

In den drei Spanischen Tänzen von Pablo de Sarasate beweist die 20-Jährige einmal mehr ihre spieltechnische Überlegenheit. Röhren auf der G-Saite in der Malagueña oder prahlerisches Virtuosen-Gehabe sind ihr fremd, sodass sie die Stücke zwar überzeugend spielt – und im Zapateado aus den halsbrecherischen Registerwechseln Funken schlägt – aber auch denken lässt, dass ihre wahren Stärken woanders liegen.

Wie für sie geschrieben wirkt etwa Gabriel Faurés A-Dur-Sonate Opus 13. Das Werk hat sich losgesagt von formelhafter Salon-Virtuosität und gewinnt seine Wirkung aus der Kraft subtiler Innerlichkeit, die Schultsz perfekt verkörpert. Nach dem Klangfarbenreigen des Kopfsatzes zeigt sie im Andante fahles Grau durch sparsam dosiertes Vibrato, in das sie allmählich hellere Töne einfließen lässt. Mit fliegendem Bogen führt Schultsz durchs gewitzte Scherzo, um im Finale ein letztes Mal mit gesanglich warmem Ton zu triumphieren.

Mit Ravels „Tzigane“ schließt Anna Naomi Schultsz. Auch hier sucht sie mit bohrendem Ernst das Sperrige, das sich reiner Spieler-Pose widersetzt und verwandelt so ihr Instrument, zwischen filigranem Violinton und robuster Fidel changierend.

Der Beifall rauscht, Schultsz bedankt sich mit der Wiederholung von Sarasates „Malagueña“. Ein denkwürdiges Konzert und der strahlende Beginn einer vielversprechenden Reihe.

Paul Schäufele, 17.11.2024


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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