Nach(t)kritik
Klavierduo de Piante Vicin und Adrian Oetiker: Klare Linie
Veranstaltung: Paola de Piante Vicin & Adrian Oetiker: Schubert, Mendelssohn, DvorákVor etwa 20 Jahren hatte Paola de Piante Vicin aus Padua (Italien) die Meisterklasse von Adrian Oetiker aus St. Gallen (Schweiz), der kurz zuvor den ARD-Wettbewerb gewonnen hatte, in Basel absolviert. Heute sitzen beide als Ehepaar und Klavierduo einträchtig nebeneinander auf der Bühne. Das muss nicht immer gut gehen. Ehepaare sind andererseits keine Seltenheit unter den Klavierduos, wie etwa das Tal-Groethuysen-Duo und das Schemann-Duo, – und halten großenteils über Jahrzehnte hinweg erfolgreich durch.
Was menschlich zusammenpasst, ist in diesen Fällen offensichtlich auch Garant für musikalische Homogenität. Und die fiel beim Duo de Piante Vicin und Oetiker schon deutlich auf. Vor allem in Sachen Temperament, das durchaus auch eine härtere Gangart auf den Plan rufen durfte. Klarheit in Klang und Rhetorik waren hier im Heimspiel der vor kurzem nach Gauting hinzugezogenen Musiker das oberste Gebot. Selbst in Debussys „Six épigraphes antiques“ war kein Platz für Diffuses. Die impressionistische Atmosphäre resultierte vielmehr aus Klangfärbungen und nicht zuletzt aus dem Notentext selbst, der ja von Debussy schon mit viel Atmosphäre und harmonisch mit entsprechend changierendem Kolorit angelegt worden ist.
Genauso wenig, wie ein Impressionist impressionisiert werden muss, ist es nötig, einen Grieg zu elegisieren, um einen Hauch Nordwind durch die Töne zu blasen. In den vier norwegischen Tänzen op. 35 deutete das Duo schon an, was sein Spiel auszeichnet: Selbst bei überraschenden Wendungen und wechselnden Charakteristika klappt die Verständigung der beiden Pianisten rein intuitiv. Plastische Formung, Rubato oder eben plötzlicher Neuansätze sind für das Duo de Piante Vicin und Oetiker selbstverständliche Bestandteile der jeweiligen musikalischen Stückdramaturgie und kein verkopftes Konstrukt. Dann ist eben ein Allegro marcato oder ein Allegro moderato alla Marcia dementsprechend streng pointiert oder mit hartem Staccato gehämmert. Es ist schließlich alles erlaubt und nur dann unschön, wenn unpassend zum Konzept.
Das Duo kann aber auch melancholisch sinnieren, wie es gleich zum bedächtigen Beginn des „Divertissement à la hongroise“ op. 54 von Schubert zu hören sein sollte und immer wieder zurückkehrte. Die vordringliche Aufgabe in diesem Werk war es allerdings, in erster Linie den rhapsodischen Reichtum an künstlerisch-gestalterischen Mitteln überzeugend zusammenzuführen und den Spannungsbogen insbesondere in Schuberts überlangem Schlusssatz-Allegretto in die Weite zu ziehen. Es war schon ein raffiniertes Auf und Ab, das de Piante Vicin und Oetiker mit Bravour und Verve – mal zurückhaltend in filigranem Perlen, mal kraftvoll und energisch bis hin zu donnernden Steigerungen – bei klarer Linie hielten. Wenn auch etwas kleiner dimensioniert, ging es auch in der Zugabe mit dem zweiten der Slawischen Tänze op. 72 von Dvořák.
Im Grunde vollendete Mendelssohn, was Schubert schon mehr als andeutete. In Mendelssohns Finale, dem Andante und Allegro brilliant op. 92, zelebrierte das Duo de Piante Vicin und Oetiker die pianistische Reinheit. Nach einem romantischen Dahinfließen im Andante entwickelte sich das Werk unter den Händen von de Piante Vicin und Oetiker zu einem virtuosen Allegro, das im rhapsodischen Auf und Ab bis hin zu gefühlvoll-lyrischen Zäsuren das komplexe Gebilde durch viele emotionale Empfindungsbereiche schickte. Ein fesselnder Klavier-zu-vier-Händen-Abend, der den frenetischen Applaus zweifelsohne verdiente.
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