Nach(t)kritik
König Wolfgang
Veranstaltung: Wolfgang Krebs: Bavaria first!Die unterhaltsamste Form, die Persönlichkeit zu spalten, hat Wolfgang Krebs entdeckt. Der Kabarettist präsentiert sein aktuelles Programm „Bavaria First“ und entfaltet mit der Präzision des versierten Zeitbeobachters eine geschliffene Analyse der Gegenwart in ihrer bodenlosen Absurdität, sei es als Robert Habeck im grauen Sakko, als der hyperaktive Vereinsmeier Schorsch Scheberl oder bayrischer Ministerpräsident. Ihm gelingt es, vor allem durch präzise Politiker-Mimikry, eine Sicht auf die Wirklichkeit zu entwerfen, die zur selben Zeit Missstände offenlegt, aber in oftmals überraschend emotionaler Ansprache dazu aufruft, nicht den einfachen Weg des Populismus zu gehen.
Nicht ohne Grund markiert nach wie vor Edmund Stoiber Anfang und Ende des Programms. Die Eigenheiten keines anderen hat Wolfgang Krebs so gründlich eingeübt – seine Kunst des planvollen Verhasplers ist ohnegleichen, als Stoiber hat Krebs das elliptische Sprechen perfektioniert, den Satzbruch zur Meisterschaft gebracht. Wie Stoiber in Galaweste, mit Orden geschmückt vom Bundeskanzler zum Kandisbrunzler springt, um sich auf den Bunsenbrenner zu retten, animiert den ausverkauften Saal zu Lachsalven. Krebs bringt Sprache zur Verflüssigung und gießt sie in immer überraschendere Formen.
Doch nicht nur das macht Stoiber zum idealen Zentrum des Programms. „Bavaria first“ ist als Anspielung auf die populistischen Slogans Donald Trumps zu verstehen als Diagnose und als Warnung. Und wem wenn nicht Stoiber mit seinem jahrzehntelangen Ringen um Wählerstimmen, ihm, der sich den Fährnissen der Syntax auslieferte, um die Dinge eben nicht ungebührlich zu vereinfachen, wem würde man diese Schlusssätze lieber glauben: „Lassen Sie sich nicht spalten, nicht vergiften.“ Ein Hoch auf Europa steht am Ende des Programms. (Wobei eine Zugabe nach heftiger Akklamation am Platz war.)
Dazwischen haben Hauptakteure der bayerischen wie der Bundespolitik ihren Auftritt und geben Wolfgang Krebs Gelegenheit, seine Ambition auszuleben, mindestens alle zehn Sekunden einen Gag zu zünden. Dass er dabei auch schon leicht angestaubtes Material über Gender-Sprache, extravagante Kindernamen und Lastenräder verwendet, ist klar. Es ist auch unerheblich, denn zuvörderst geht es darum, das Pointen-Feuer am Lodern zu halten. Das schafft er mühelos.
Zum Beispiel durch Darstellung Markus Söders, der seinen Tagesablauf schildert zwischen Rostbratwurst-Inspektion und Welpenknuddeln. In der Überspitzung, schauspielerisch wie sprachlich brillant, legt Krebs offen, wie Söder funktioniert – Politik ist für diesen Ministerpräsidenten in erster Linie die Herstellung von Content, der die Algorithmen der Social Media in Bewegung hält. Das würzt Krebs mit Schüttelreimen und anderen Raffinessen. (Mit Blick auf den CDU-Parteivorsitzenden: „Der Sauerländer ist ein lauer Sender.“)
Wo Söder ist, lässt Aiwanger nicht lange auf sich warten. „Markus, du änderst diese Woche schon das vierte Mal deine Meinung. Was sagst du dazu?“, fragt er. „Heute ist Donnerstag“, sagt Söder. Aiwanger/Krebs alias „Herzog Hubert der Streitbare“ beherrscht wie der vermeintlich echte die Rhetorik der selbst beantworteten Frage und einen sonst öffentlich kaum repräsentierten Dialekt. Horst Seehofer diskutiert die Abspaltung Bayerns vom Rest der Republik und Robert Habeck verströmt angestrengt Optimismus.
Doch am Ende bleibt es Ede, den man diese Aufforderung sagen hört: Den Hass, der um sich greift, könne man nur mit einem Lächeln bekämpfen. Wäre das wahr, hätte Wolfgang Krebs schon viel Hass vernichtet.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.