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Nach(t)kritik

Sa, 31.10.2015
20.00 Uhr

Lena Neudauer und Paul Rivinius: Homogene Unvereinbarkeit

Veranstaltung: Lena Neudauer, Violine & Paul Rivinius, Klavier: Mozart, Ravel, Schubert & Fauré
Auch wenn der Pianist Paul Rivinius dem Gautinger Publikum sicher vertraut ist, galt das Heimspiel natürlich der mit Gauting eng verbundenen Geigerin Lena Neudauer. Hier hat sie eine lautstarke Fan-Gemeinde, die ihre Sympathien mit frenetischen Ovationen kundtat. Sie galten gewiss nicht minder der Darbietung, in der erneut klar wurde, wie hervorragend dieses Duo nicht nur aufeinander eingespielt, sondern auch vom musikalischen Charakter her homogen ist. Sowohl Neudauer wie auch Rivinius interessieren sich wenig für die Show im Musikgeschäft. Im Werdegang beider Musiker steht ausschließlich die Leidenschaft für die Musik im Vordergrund. Das besonders erfreuliche daran: Sie sind trotzdem gefragt, beim Publikum beliebt und auf großen Podien erfolgreich.
Auch beim Musizieren hielten sich beide einhellig fern von spektakulären Effekten oder großen Gesten. Es ging hier um feinste Kammermusik, die ihre Kraft von innen heraus zu entwickeln vermag. Zumal das Duo als Ausgangspunkt die Mozart-Sonate A-Dur KV 305 gewählt hat, die im Grunde überhaupt den Anfang der Gattung in einer gleichberechtigten Konstellation markiert. Mit ihren zwei Sätzen noch nicht gattungsbildend, vielmehr mit dem zweiten Variationssatz in gewisser Weise ein Experimentierfeld, auf dem die Schlacht um einen Weg zur Duobildung geschlagen wurde. Neudauer und Rivinius gaben einen stimmigen Konzertabend, doch es ging hier in gewisser Weise um eine konfliktbehaftete Auseinandersetzung mit der Gattung, mit ihren Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.
Obgleich die Violinsonate sich sukzessive einen prominenten Platz im Konzertbetrieb eroberte, den sie bis in die heutige Zeit verteidigen kann, wurde sie doch genauso oft totgesagt, wie das Streichquartett, das sich heute in der Neuen Musik wieder höchster Beliebtheit erfreut. Gerade Maurice Ravel, der sein ästhetisches Ideal auf eine knappe Formel brachte, „absolut einfach, nichts als Mozart“, hielt die Kombination aus Klavier und Violine für unvereinbar. De facto deckten Neudauer und Rivinius in dessen Violinsonate jedoch geradezu barocke Pracht in Farben und Substanzcharakter auf, wenn auch immer wieder ins Groteske überspitzt. Die Lineare Entwicklung der Stimmen, wie schon bei Beethoven, verzichtet allerdings auf die im Notenbild vertikale, harmonische Einheit, was die Eigenständigkeit der Instrumente wahrt und hier im Vortrag auch eine breite Farbenvielfalt hervorbrachte. Der Blues überzeugte mit seinem authentischen Charakter, obgleich Ravel stets darauf beharrte, dass dieser doch stark französisch geprägt sei.
Die musikalische Präzision und Detailsorgfalt der Interpretation mochte dies auf der anderen Seite durchaus bestätigen. Diese Attribute waren an diesem Abend auch entscheidend. Wunderbar, wie die zierliche Feinheit Franz Schuberts Sonatine g-Moll D 408, die der Verleger Diabelli um die Bezeichnung als Sonate brachte, ein nahtloses Changieren der Stimmungen und Charaktere herbeiführte. Fließender Gesang kontrastierte vordergründig mit resoluter Rhythmus-Pointierung, während sich im Hintergrund eine feinsinnige Nuancierung abspielte. Insbesondere diese Ambivalenzen waren es, die das Duo Neudauer und Rivinius so überzeugend, vor allem auch in Klarheit und Transparenz herauszuarbeiten verstand.Die Vielfalt im spieltechnischen Sinne sollte in der abschließenden Sonate A-Dur op. 13 von Gabriel Fauré schließlich noch die tradierte Gattung überwinden, um einen französisch-nationalen Stil darin auszudrücken. Die ruhelose Leidenschaft, immer wieder elegische Melodieführung, einfühlsame Rücknahmen ins melancholische Sinnieren, dann wieder energische Ausgelassenheit, geradezu euphorisches Jubilieren, im großen Auf und Ab mit melancholischer Lyrik kontrastiert: All das blieb bis zur wuchtigen Schlusspassage von französischer Kultiviertheit geprägt. Fritz Kreislers „Synkopen“ lieferte in der Zugabe einen pfiffigen Schmiss Wiener Art nach.
Reinhard Palmer, 01.11.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Sa, 31.10.2015 | © Werner Gruban