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Nach(t)kritik

Do, 22.10.2015
20.00 Uhr

Matthias Bublath Band: Imaginativ und Sinnenfreudig

Veranstaltung: Matthias Bublath Band: Eight Cylinder

Achtzylinder! Ja, diese Motoren haben Musik. Exzellente Laufruhe und einen Sound, der die Herzen von Motorsportnostalgikern höher schlagen lässt. Ein Klassiker der sportlichen Oberklasse, verbaut in Legenden wie Bugatti Royale, Ferrari F430 oder Lotus Esprit V8. Sich einen solchen imposanten Motor auf eine CD mit dem Titel „Eight Cylinder“ zu setzen, verspricht schon viel Gutes, zumal wenn großartige Musiker mit von der Partie sind. Matthias Bublath hat für dieses Projekt eine Truppe zusammengestellt, die – auch wenn sie hier im bosco ohne den Gasttrompeter Takuya Kuroda antrat – stets Garant für einen packenden Jazz-Abend ist. Allen voran der E-Bassist Patrick Scales, der als Hochschuldozent und langjähriges Mitglied von Doldingers Passport nicht nur hierzulande zu den Koryphäen seines Faches gehört. Sein einziges, leider recht kurzes Solo gab einen überzeugenden Vorgeschmack, dessen Einlösung allerdings unterblieb. Scales‘ Fingerfertigkeit, musikalisches Timing und spieltechnisches Vermögen in jeder erdenklichen stilistischen Ausprägung sind grandios. Dem zahlreichen Publikum blieb also nur, sich der soliden Basis zu erfreuen, die grooven, hasten, singen, swingen und vieles mehr konnte, sich aber auch diszipliniert zurückhielt. Die Konstellation mit dem Drummer Christian Lettner ist von Passport her seit Jahren erprobt. Dieses Duo konnte denn auch nicht nur mit acht Zylindern schnurren, sondern auch kraftvolle, bisweilen funky groovende Substanz unterlegen, aus der sich ein wunderbar klarer Band-Sound entwickeln konnte.
Die Zusammenstellung der Frontinstrumente ergab einen ganz spezifischen Klang, der in seiner Charakteristik bisweilen allerdings wohl anders zuzuordnen gewesen wäre, wenn Bublath hier auch passend zum Achtzylinder seine Hammond B3 mitgebracht hätte. Die Einschränkung auf den virtuos gespielten Flügel färbte die Charakteristik mancher Stücke durchaus um. Die Kombination mit dem Vibraphon von Tim Collins befreite sich im Gegenzug auf diese Weise vom Touch der Nostalgie im Stil der 1930er Jahre und kam in der kammermusikalischeren Prägung transparenter und energischer daher. Viel Raum also auch für den weitschweifenden ungarischen Tenorsaxophonisten Gábor Bolla, der aus seinem musikalischen Roma-Hintergrund hier auf alle Fälle eine Menge Leidenschaft einbrachte. Seine Soli entwickelten ein feuriges Temperament, wagten sich durchaus auch in wildere Gefilde, manchmal im Grunde schon jenseits der Grenze zum Rock. Er bescherte dem Abend so manch ein Glücksmoment.
Der 37jährige Matthias Bublath stand hier auch als Komponist im Fokus. Mit dem aktuellen Repertoire zieht er gewisser Weise eine Zwischenbilanz. Als vom Blues und Boogie-Woogie herkommender Pianist und Hammond-Spieler kam es hier zu einer Art Sich-Messens in Relation zum heutigen Stand. Besonders reizvoll darin die exotische Note, die hier auf eine überaus melodiöse und heitere Art Akzente setzte. So etwa „Boje Latin“, das mit karibischer Leichtigkeit und vergnügter Spielfreude die Stimmung im Saal befeuerte. Schon zu Beginn wurde klar, dass es Bublath auch um sinnenfreudige Klangfarbigkeit ging, die ja schon in der Zusammenstellung der Band angelegt war. Dahingehend lieferte das südafrikanisch gefärbte „Abdullah“ einen weiteren starken Akzent. Aus einem klassischen Blues entwickelte sich darin eine mystisch angehauchte Atmosphäre mit unbeschwertem Gesang. Mit wohliger Wärme wurde es indes in der Ballade „Adolescense“ recht ernst, doch ähnlich imaginativ, vor allem im singenden Saxophon. Bublath scheut aber auch keine stilistischen Synthesen, wie etwa im hastenden Bebop „65w13th“ (eine Adresse in New York), der sich mit Latin-Elementen überraschend heiter gab und dadurch das drängende Motiv gegen eine Gewisse Euphorie eintauschte.Euphorisch tobte dann auch das Publikum und bekam eine Zugabe mit rasantem Drive: „Walk til you die!“.

Reinhard Palmer, 23.10.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 22.10.2015 | © Werner Gruban