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Nach(t)kritik

Mi, 06.10.2021
17.30 Uhr

Musikanten

Veranstaltung: Pavel Haas Quartet: Janácek und Dvorák

Eine konzentrierte, aber ungemein farben- und facettenreiche Stunde voller feiner Valeurs der Expression bot das Pavel Haas Quartet mit dem ersten Streichquartett Kreuzersonate von  Leoš Janáček (1923) und dem berühmten Amerikanischen Quartett von Antonín Dvořák, komponiert 30 Jahre zuvor während eines Sommeraufenthalts in der amerikanischen, von vielen Tschechen bewohnten Gemeinde Spillvill. Werke zweier tschechischer Komponisten also, gespielt von einem in Prag ansässigen Ensemble, das den Namen eines Komponisten trägt, der Meisterschüler Janáčeks war, selbst drei Streichquartette komponierte, 1941 nach Theresienstadt deportiert und dort 1944 ermordet wurde.

Wieviel Handlung aus Nicolai Tolstois Novelle, die von einem Mann handelt, der vor Wut rast ob des leidenschaftlichen Spiels seiner Ehefrau mit einem Geiger bei eben Beethovens Kreuzer-Sonate, das kann man nur ahnen. Aber da die Musik so viele Volten schlägt, enorme Wildheit etwa aus dem dritten Satz spricht, Faktur und Ausdruck immer wieder abrupt wechseln, könnte schon einiges von Tolstois Text beim Komponieren im Kopfe Janáčeks präsent gewesen sein.

Wie vertraut das Pavel Haas Quartet mit dieser Musik ist, hört man in jedem Takt. Nichts ist da dem Zufall überlassen und doch wirkt alles überaus spontan, als ob es gerade eben im Augenblick entsteht. Da dürfen auch fahle Töne nicht fehlen, muss manches aggressiv, manchmal sogar hart klingen, um im nächsten Augenblick gleich wieder ungemein sanft und zärtlich zu tönen. Die klare und direkte, aber keineswegs harte Akustik des Bosco verstärkt diesen Eindruck noch.

Weitaus verbindlicher, ungemein melodiös und im besten Sinne folkloristisch geprägt dann unmittelbar anschließend das 12. Streichquartett F-Dur von Antonín Dvořák. Es ist oftmals pentatonisch geprägt, was man als „indianisch“ gedeutet hat, und immer wieder für einen wunderbaren „Naturton“ sorgt bis hin zur Verarbeitung des Rufs einer Scharlachroten Prachtmeise im dritten Satz. Ob erste Geige (Veronika Jarůškova) oder zweite (Marek Zwiebel), die Bratscherin Lusha Fang oder Peter Jarůšek am Cello: Jeder hat seinen eigenen, ungemein präsenten, charakteristisch schönen, reichen Ton und könnte auch ein hervorragender Solist sein. Aber im Quartett-Spiel sind sie noch weit mehr als die Summe dieser vier Teile. Nicht zuletzt im wunderbar rhythmisch geprägten Finale, das auf nur vier Tönen aufbaut und ein bisschen so klingt, als würden ein paar Musiker im Saloon zum Tanz aufspielen, bricht sich dann ungemein temperamentvolles, aber immer differenziertes Spiel Bahn. Denn was Dvořák aus diesem so schlichten Material macht und wie es die MusikerInnen des Pavel Haas Quartet zum Ereignis werden lassen, ist die pure, ansteckende Lebensfreude.

Überaus begeistertem Applaus folgte beim ersten Konzert um 17.30 Uhr noch das herrlich pralle Allegro giocoso alla Slovaca aus dem ersten Streichquartett von Erwin Schulhoff aus dem Jahr 1924.

Klaus Kalchschmid, 07.10.2021


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.