Nach(t)kritik
Neuigkeiten aus Strunzenöd
Veranstaltung: Michael Altinger: SchlaglichtWenn der Alltag ins Absurde abdriftet, die Prominenz nur noch platt daherkommt, Politiker zu tragikomischen Gestalten mutieren und die Geschicke der Welt auf Instagram entschieden werden, haben es Kabarettisten nicht leicht. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass Comedy demgegenüber wesentlich an Popularität hinzugewonnen hat. Permanent zündende Lachnummern rauszulassen ist wohl befriedigender als den Irrsinn unserer kläglichen Wirklichkeit mit geistvoller Satire zu offenbaren. Michael Altinger gehört zwar noch eher zu den Kabarettisten alter Schule und ist wenige Tage vor seinem 50sten Geburtstag schon fast ein Klassiker. Aber auch er tut sich schwer, ohne kabarettistische Gemeinplätze wie Yoga-Apostel, Veganer, Verschwörungstheoretiker oder Andy Scheuer auszukommen. Für die beste Stimmung sorgten letztendlich parodistische Einlagen, die ausgeprägte Menschentypen wie die esoterisch verschrobene Zelinski, den dumpfbackigen Pauly am Grill, oder die versnobte Starnbergerin, die das Putzen – „Das macht die beste Laune ever“ – gesellschaftsfähig macht, in überzogenen Rollen die Realität in den komischen Qualitäten knapp überbieten konnten.
Altingers erfundener Heimatort Strunzenöd – Ähnlichkeit zu „strunzblöd“ ist nicht von der Hand zu weisen – ist so etwas wie das (nieder)bayerische Schilda. Aber nicht das Schilda in Brandenburg, sondern das der Schildbürger. Von denen gibt es heute ja mehr als genug, was auch darin abzulesen ist, dass Altinger seine Geschichte gleich in eine Trilogie verpacken musste, um der Thematik „Über den Verlust von Wahrheit und Moral“ Herr zu werden. Man muss dann doch den ersten Teil „Hell“ vom Unfall mit dem Maserati-Fahrer Hellmuth Lux, „Erfinder der Gabione, des Stand-Up-Paddlings und des grünen Smoothie“, sowie von Altingers vermeintlichen Versicherungsbetrug gesehen bzw. gehört haben, um den Bezug zu den Inhalten klarer herzustellen. Die erste Moral von der Geschichte: Wo eigene Nachteile drohen, ist es aus mit der Moral und alternative Fakten werden zur Wahrheit. Im Teil zwei unter dem Titel „Schlaglicht“ musste man schon etwas mit der Materie ringen, um den Bezug herzustellen. Zumal Altingers Hintergrundgeschichten, etwa vom Kartoffelsalat – unbedingt ohne Schinkenwurst darin – als Minimalkonsens der Gesellschaft, mehr zur Verwirrung als zum Verständnis beitrugen.
Wie angekündigt – „Im ersten Teil hat er noch geahnt, im zweiten weiß er Bescheid, und im dritten wird er verkünden“ – ging es hier nicht darum, spritzig leicht auszuteilen, sondern die Mechanismen dahinter zu entlarven. Dafür ließ sich Altinger einen interessanten dramaturgischen Aufbau einfallen, dessen Sinn sich allerdings erst recht spät offenbarte. Altinger streute zunächst scheinbar zusammenhanglos einzelne Episoden ins Publikum, eben Schlaglichter, die später aneinander gereiht, mit Elementen des absurden Theaters liebäugelnd, den Höhepunkt des Programms ergaben. Altingers Songs stellten ebenso eine Fortsetzungsgeschichte dar, als „Lied für meine Frau, weil ich sie so sehr vermisse“. Und auch die Grillparty hinter einer fiktiven Tür sowie die monologischen Handy-Gespräche als theatralische Elemente und künstlerische Mittel, Handlungen quasi hinter der Bühne zu suggerieren, brachten weitere Fäden in die Geschichte. Doch in der Komplexität zündeten die Pointen nicht so recht und auch die Fäden verhedderten sich mehr als sie zusammenliefen. Mindmap-artig umkreiste Altinger seine Thematik, vermochte sie aber nicht auf den Punkt zu bringen. Das Publikum hatte denn auch Mühe, mitzugehen und die sonst bei Altinger übliche Stimmung zu schaffen.
Eine thematische Auflösung gab es zum Schluss, als die Lichtgestalt Hellmuth Lux die Grillparty als feuerpolizeilichen Fall nutzend dem Versicherungsbetrüger Altinger ein kostspieliges Brandschutzzelt aufzwang, dessen Erwerb Strunzenöd auf Generationen verschulden würde. Das ergab einen Sinn, kam aber für eine Schlusspointe zu mühsam, um das Ruder noch herumreißen zu können. Hat sich Altinger zu sehr verkünstelt? Nicht unbedingt. Mehr sprachliche Schlagfertigkeit und weniger Gags am Rande könnten die Aussagen aber fassbarer machen.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.