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Nach(t)kritik

Do, 17.11.2016
20.00 Uhr

Nicht mehr auf Eis

Veranstaltung: Michael Fitz: Liedermaching

Vor ziemlich genau einem Jahr ist Michael Fitz in Traubing aufgetreten. Auch damals hieß die Überschrift seines Programms „Liedermaching“, und es war November, offenbar eine besonders gute Zeit für Nachdenkliches in Grautönen. Fitz kam damals sehr gut an beim Publikum, sowohl mit den grüblerischen Texten rund ums männliche Älterwerden als auch mit seinem vorzüglichen Akustikgitarrenspiel – der gebürtige Münchner, der sich als Oberbayer bezeichnet, wirkte allerdings nicht nur auf dem Ankündigungsplakat wie ein einsamer struppiger Wolf, der ebenso empfindsam wie erkältet war. Inzwischen sind zwölf Monate vergangen, und die Grautöne haben den inzwischen schnupfenfreien Mann von oben bis unten ergriffen, zumindest was das Outfit angeht: Michael Fitz, vor wenigen Tagen 58 Jahre alt geworden, erzählt im bosco, dass er „wieder Single“ sei, und macht seine dafür womöglich verantwortliche Eigenwilligkeit gleich mal wieder zum Thema: Lieder wie „Hinter meiner Stirn“ und „Irgendwo da hinten“ berichten einigermaßen uneitel und schonungslos davon, was dem Zwischen-menschlichen und vor allem der Zweisamkeit mal wieder alles im Weg gestanden ist oder noch steht – die Fitz-Fans schätzen genau diese Art des Künstlers, sich über die eigenen Schrullen und Unvollkommenheiten keine Illusionen mehr zu machen und das Ganze auch noch in recht gute Texte und durchaus abwechslungsreiche Songs zu packen. Bei seiner sommerlichen Tournee durch nördlichere Breiten habe man ihn einmal sogar als „bayerischen Bob Dylan“ annonciert, so Fitz, der gleich erheitert anfügt, das sei nach dem Literaturnobelpreis für Herrn Robert Allan Zimmerman dann doch ein wenig zu viel der Ehre.
Herr Fitz indessen scheint sonst momentan nicht unbedingt sehr dem Heiteren zugeneigt: Es ist schon wieder November, die selbsternannten Alleswisser vom Feuilleton missdeuten ihn wie eh und je oder raten ihm gar, „den Beruf zu wechseln“, plaudert er aus dem unverstandenen Künstlerdasein. Oder, noch schlimmer, es melden sich aus Reihen der Zuhörer ein paar besonders nervige Exemplare mit der Forderung zu Wort: „Spiel doch mal was Positives!“ Nein, damit tut man ihm nun wirklich Unrecht - als ob Nachdenklichkeit an sich heutzutage schon etwas Negatives wäre? Die an den Langzeitpartner gerichtete, ebenfalls nachdenkliche Frage "Wuist du mi no?" wird bei Michael Fitz zu einem wunderbar ehrlichen Lied. Glatter Positivismus ist ihm ein Gräuel, eine blanke Unmöglichkeit für jemanden, der kluge Zeilen „über die Verwirrung im Kopf“ schreibt und sich mit einer Schaut-her-ich-kann-nicht-anders-Haltung vor sein Publikum stellt bzw. setzt, wenngleich auf hohem Hocker diesmal. „Lauter kleine dicke Hausmeister“ bevölkern im Liedtext diesen mähnig eingerahmten Quer-Kopf, dessen Gedanken zuweilen bis in die frühen Schuljahre zurück gehen, als Fitz „das Starter-Paket des Lebens“ in Form einer „religionslosen“ bzw. protestantischen Jugend in einem erzkatholischen Umfeld mit auf den Weg bekam. Dass so einer sich Überlebenstechniken angeeignet hat und doch faule Kompromisse so gar nicht aushält, ist absolut nachvollziehbar – Fitz möchte die Menschen genau an diesem Punkt erreichen, „dass sie sagen: geht mir aa a so!“ Der einsame Wolf, so der Plan,.er müsste dann nicht mehr ganz so einsam heulen. Dem nunmehr "erwachsenen Mann" (Fitz über Fitz) ist es ernst mit seinen Texten, er kokettiert nicht und er inszeniert sich auch nicht, wie man ihm auch schon mal unterstellt hat. Er hat es auch gar nicht mehr nötig, sich und anderen irgendwas vorzumachen, und das spüren die Leute. Er singt „I geh net aufs Eis“, er baut sich ein paar Zeilen drauf lieber eigenhändig einen Teich, in dem er nicht ertrinken kann – und recht hat er. Zwei Zugaben und viel zustimmender Applaus dafür, wie damals in Traubing, so diesmal in Gauting.

Thomas Lochte, 18.11.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 17.11.2016 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting