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Nach(t)kritik

So, 26.06.2016
19.00 Uhr

Orchestervereinigung Gauting: Dvořáks Herausforderungen

Veranstaltung: 2. Sinfoniekonzert: Solist: Simon Schachtner
Es sind zwei ganz besondere Werke, die sich da die Orchestervereinigung Gauting vornahm. Dorian Keilhack am Pult bewies schon mit der Wahl der beiden Kompositionen Dvořáks reichlich Mut, sind es doch Kreationen von subtilen Emotionen, feinsinniger Farbgebung und immer wieder ergreifender Atmosphäre. Aufgaben, die für ein Amateurorchester eine enorme Herausforderung darstellen. Aber ihre starke emotionale Komponente birgt eine Chance in sich, auf dem Weg der Empfindungen mehr zu erreichen als auf den ersten Blick zu erhoffen wäre. Und diese Chance nutzte Keilhack zweifelsohne, zumindest in musikalischer Hinsicht.
Auch wenn die beiden Kompositionen in den USA entstanden sind, blieben sie unverkennbar böhmisch grundiert. Interessant dabei ist, dass die Motivation für deren heimatliche Färbung geradezu konträr lag. Während die neunte Sinfonie e-Moll op. 95 („Aus der Neuen Welt“) im Grunde eine sehr persönliche Legitimation für den Aufenthalt Dvořáks in den USA als einen der führenden Komponisten seiner Zeit war, entstand das Cellokonzert h-Moll op. 104 doch eher aus Sehnsucht nach der fernen Heimat und dem dringenden Wunsch nach Rückkehr. Zutiefst beseelt und schönmusikalisch sind sie beide gleichermaßen. Das Cellokonzert verrät seinen Hintergrund jedoch mit einem kraftvollen Temperament, das Solist Simon Schachtner gleich von Anfang an ungezügelt offenbarte. Der hochbegabte Student in Leipzig, der in seiner Heimatgemeinde Gauting offensichtlich nach wie vor viele Fans hat, vermochte aber auch, seinen Part in den intimen Momenten einfühlsam, ja empfindsam zurückzunehmen. Im Adagio gab sein leidenschaftlicher Gesang gar Kostproben zärtlichster Expression und nostalgischer Atmosphäre. Was wie ein inniges Gebet begann, entwickelte sich zu einem Gesang von berührender Wärme, geduldig ausgespielt. Das sind alles Zeichen des Heimwehs des Komponisten, der selbst im Schlusssatz einen solchen Gesang von weit gedehnten Linien anführte. Und auch hier bewies Schachtner nach einer virtuosen Eröffnung in spritziger Leichtigkeit ein großes Gespür für lyrische Rücknahmen.
Sowohl Schachtner als auch Keilhack zeigten sich sichtlich darum bemüht, das Maximale an Einfühlsamkeit und Wendigkeit – spieltechnisch wie atmosphärisch – aus dem Orchester herauszuholen, brachten damit die volle Bläserbesetzung, aber auch die klanglich gut austarierten Streicher immer wieder an den Rand der spieltechnischen Möglichkeiten, bevor der Ton wackelte und die Intonation nicht mehr sauber erklang. Bei diesen Grenzgängen sollte es auch in der Sinfonie bleiben. Doch nahm Keilhack etwas Tempo raus, um den Instrumentalisten eine Chance zu geben, alles sorgsam und bewusst auszuspielen.Derart in die rein musikalischen Parameter „genötigt“ zeigte das Orchester ein erstaunlich gutes Gespür für emotionale Ausprägungen, aber auch für schönmalerische Atmosphäre. Die rhythmische Ausgestaltung war präzis angelegt, die Formung der Sätze reich an Farbigkeit. Hier waren die Instrumentalisten an keinen Solisten gebunden, konnten daher ungehemmt lustvoll zupacken. Im Schlusssatz con fuoco kam auch eine Menge resolute Kraft rüber, die auch den lang gedehnten Schluss der Sinfonie entsprechend auskosten ließ. Das Largo in pastoraler Wärme mit geradezu elegisch ausgebreiteten Streichern betörte mit melodischer Schönheit. Wie schon im Cellokonzert suchte Keilhack immer wieder die satte Substanz, forderte aber auch Wendigkeit im unentwegten Changieren der Atmosphäre. Im Schlusssatz ließ er erst die Zügel lockerer und steuerte vorbehaltlos auf die Höhepunkte in den Verdichtungen mit bisweilen ungehemmtem Schmetterblech. Nach dem fulminanten Finale war die Begeisterung im fast ausverkauftem bosco groß. Frenetische Ovationen blieben nicht aus.
Reinhard Palmer, 27.06.2016


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