Nach(t)kritik
Reise um die Welt auf zwei Balalaikas
Veranstaltung: Exprompt: Weltmusik aus RusslandIn einer Gegenwart, in der große Reisen schon allein aus Klimaschutzgründen wohl überdacht sein wollen, wird die Reihe „Vielklang“ zum ökologischen Reiseanbieter. Wo, wenn nicht hier kann man guten Gewissens auf Weltreise gehen und dabei so tief in die kulturellen Besonderheiten der vom Saal aus angesteuerten Länder und Regionen einsteigen? Das Konzert des russischen Quartetts Exprompt am Samstagabend war eine solche Reise. Mit Balalaika, Domra und Bajan ging es einmal quer durch dieses unglaublich große Land. Mal auf der Kutsche über die zugefrorene Wolga, mit einem tief melancholischen Kutscher vorn auf dem Bock. Mal bis ins tiefste Sibirien, wo eine Mutter die Winterschuhe der Tochter versteckt, damit diese nicht den daheim unwillkommenen Liebhaber treffen kann (woraufhin die Tochter einfach ohne die Filzstiefelchen, barfuß loszieht). Vom südlichen Russland bis zur Grenze nach Finnland ging die Reise. Und anstelle eines Begrüßungscocktails an Bord wurde - musikalisch, versteht sich - ein finnisches Freundschaftsgetränk gereicht, bei dem ein kleiner Schuss Kräuterlikör solange mit finnischem Wodka verdünnt wird, bis die Freundschaft nicht mehr zu trennen ist.
Exprompt, das sind: Olga Kleshchenko mit der Domra, einem kleinen, runden Saiteninstrument, dessen Metallsaiten ausschließlich mit dem Plektrum zu spielen sind; Nikolay Istomin, der das Bajan spielt, ein Knopfakkordeon, das über ein unglaubliches Klangspektrum verfügt und auf diese Weise ein ganzes Orchester ersetzen kann; Evgeny Tarasenko an der Kontrabass-Balalaika, die schon durch ihre schiere Größe und Korpusfläche beeindruckt - ein gigantisches Dreieck; und schließlich Alexey Kleshchenko, der neben dem Spiel der Sopran-Balalaika und einigen anderen Saiteninstrumenten in einwandfreiem Deutsch und ungeheuer sympathisch durch den Abend führt.
Die musikalische Vielfalt dieses mit klassischen russischen Volksmusikinstrumenten ausgestatteten Ensembles ist beeindruckend. Das Repertoire reicht von russischen Tänzen, Liedern aus dem Ural oder Sibirien über russischen Jazz bis zu Anleihen bei Tänzen aus Italien, Spanien oder Argentinien sowie Arrangements klassischer Werke für diese Besetzung. Exprompt spielt Weltmusik im besten Sinne. Auf den Saiten der Balalaikas, der Domra und den Klängen des Bajan wird beispielsweise Tschaikowskis berühmter Tanz aus dem Werk „Schwanensee“ zu einem Tanzbodenstück, das zum Mitmachen einlädt. Ein Tango von Igor Stravinsky klingt nach argentinischer Bar, und der Walzer aus einem Kosakenlied könnte in jedem Wiener Heurigenlokal die Welt zum Drehen bringen.
Und so wurde aus der geplanten Russlandreise an diesem „Vielklang“-Abend in knapp zwei Stunden eine Weltreise. So schnell, so bewegt und gleichzeitig so geschichtenreich ist es nicht einmal Jules Verne gelungen, den Globus zu umrunden.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.