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Nach(t)kritik

Di, 15.11.2016
20.00 Uhr

Riffs mit Bierflasche

Veranstaltung: Mojo Blues Band & Abi Wallenstein: Gautinger Bluesnacht

„Hat si scho auszoit, dass mia herkumma san, is jo net glei um die Eckn!“, ruft Erik Trauner zwischen dem achten und neunten Stück der 1.Bosco-Bluesnacht ins Publikum. Seine Mojo Blues Band ist aus Wien, und dass sie an diesem Abend Gauting erobert, ist die Schuld von Ludwig Seuss: Der Programmleiter „Blues & Jazz“ hat mal wieder seine Beziehungen bzw. alten Freundschaften spielen lassen, um eine der besten Bluesbands Europas auf die bosco-Bühne zu kriegen – und weil´s auf gut Wienerisch so „leiwand“ ist, mischt der Ludwig zum Auftakt und am Ende dieses unvergesslichen Gipfeltreffens gleich selber mit. Teil 1 des Abends ist zunächst aber nicht Erik Trauner & Co. vorbehalten, sondern der Hamburger Legende Abi Wallenstein, einem der Väter der hanseatischen Blues-Szene: Gemeinsam mit Seuss am Piano und dem Kontrabassisten Tom Peschel liefert Gitarrist Wallenstein zum Warm-up gleich mal eine Vorstellung von der puristischen Seite des Blues und seines durchaus grüblerischen Grundgefühls – Wallenstein, ein in Jerusalem gebürtiger, seit 1960 in Deutschland lebender und meist freundlich lächelnder Mann von fast 71 Jahren, wurde 2015 erst mit dem Blues Louis Preis ausgezeichnet. Er wirkt noch immer wie ein etwas älterer Jugendlicher und hat zugleich die Ausstrahlung eines weisen Hobos. An der E-Gitarre aber ist er geradezu ein Philosoph, ein Slowhand im Sinne eines Eric Clapton: Kein Schlenker zu viel, in sich ruhender Vortrag mit unspektakulärer Stimme und exquisite Song-Auswahl („I´ll never go back to Alabama“; „Death Letter Blues“) - Seuss und Peschel geben diesem schlaksigen Titan das passende Geleit, lassen ihm seine spezielle Wirkung, ohne ihn zuzudecken - ein eindrucksvolles, intensives Erlebnis.
Teil 2 des Abends gehört dann der Lokomotive namens Mojo Blues Band mit ihrem Frontmann Trauner, dem das bosco-Publikum regelrecht  entgegen fiebert: Manche Fans haben die seit 1977 als Bluesformation existierenden Wiener schon in Salzburg oder München erlebt, schwärmen von diesen Konzertereignissen, nehmen offenbar immer wieder größere Anfahrten auf sich, um diese energiegeladene Truppe live zu erleben. Und sie sollten es auch diesmal nicht bereuen: Charlie Further am Piano, Herfried Knapp am Kontrabass, Didi Mattersberger am Schlagzeug und vor allem der geniale Siggi Fassl an der zweiten Gitarre bilden ein derart eingespieltes Team, dass sämtliche Gangarten von Ballade bis Boogie, von Walking Blues bis Rock´n´Roll nur so flutschen. Im schönen Wechsel servieren die Mojos Kostbarkeiten wie Lonnie Brooks´ Treibhausnummer “The Crawl“, den düsteren "Black Train" oder den von Trauner/Fassl/ Furthner frisierten Boogie „She´s a hot mamacita“, bei dem von einer heißen Mexikanerin die Rede ist. All das kommt taufrisch, zumeist tempostark und mit instrumentellen „Sahnehäubchen“ - pardon: Schlagobers – auf den Tisch des Hauses: Sämtliche Gautinger Beine wippen jedenfalls. Trauner, der begnadete Entertainer mit dem weißen Südstaaten-Hut, steigert die Betriebstemperatur so lange, bis der Durst gewaltig ist und er seine Riffs mit einer fast leer getrunkenen „Augustiner Hell“-Bierflasche spielt - Kommentar Trauner: "Schmeckt lack, wia Goaßgschiffats." Tja, „Ottakringer“ hatten´s halt keines im bosco (aber immerhin „Gösser“). Die Leute toben und singen mit, es gibt Standing Ovations, und keiner verlässt den Saal, ehe nicht nach fünf Zugaben und einer finalen Session mit Wallenstein und Seuss, Chuck Berry-Hommage, Bluesharp und Akkordeon auch der letzte Ton verklungen ist. Man konnte einfach nicht genug bekommen von dieser bluesigen Dampfwalze, und Erik Trauner meint nach der logischen Schluss-Nummer "Movin´ Out of Town" selber ganz beeindruckt: „Alles Liebe - mir wern z´Haus erzöin, wia schön´s do is!“ Wie sagt man in Wien? "Hot si auszoit". A Wahnsinn....
 

Thomas Lochte, 16.11.2016


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Di, 15.11.2016 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting