Nach(t)kritik
Samtig mattglänzend
Veranstaltung: Quatuor Agate: Haydn, Ligeti, DvořákUnterschiedlicher hätten die drei Streichquartette nicht sein können, mit denen das junge, 2016 in Paris gegründete Quatuor Agate im Bosco gastierte. Hier das op. 33/2 in Es-Dur von Joseph Haydn, dort das romantische G-Dur-Quartett von Antonín Dvořák und dazwischen als Höhepunkt György Ligetis erstes Quartett von 1953/54. Es stand in jeder Hinsicht im Zentrum: Weil es mit Abstand am Aufregendsten gespielt war, mit seiner Energie und seinen zahlreichen Stimmungswechseln aber auch Hörer wie Spieler auf der Stuhlkante sitzen ließ. So dissonant mancher Akkord war, so wütend manche Geste: Schon der Beiname Metamorphoses nocturnes zielte auf die vielen schroffen, dunklen Passagen, aus denen lediglich ein paar helle Inseln hervorleuchteten, so ein leicht schräger Walzer. Wie im Flug vergingen die 20 Minuten dieses Quartetts, dessen unterschiedlichen Energie-Flüsse und -Stauchungen wie seinen Ecken und Kanten das Quatuor Agate nichts schuldig blieb.
Ganz anders der Einstieg mit dem „Der Scherz“ überschrieben zweiten Quartett aus dem op. 33 von Joseph Haydn, das den Zuhörer mit einem letzten Aufflackern des Themas nach dem eigentlichen Ende verblüfft, ein schöner Gag, wie ihn auch Beethoven gerne ähnlich zelebrierte. Eine Überraschung gab es überdies gleich zu Beginn, da Adrien Jurkovic, Thomas Descamps, Raphaël Pagnon (Bratsche) und Simon Iachemet (Cello) ganz auf einen warmen Klang setzten, den man auch samtig oder mattglänzend bezeichnen könnte. Das ließ diesen Haydn nicht so lebendig strahlen, wie das möglich gewesen wäre, bedeutete aber auch, dass man immer wieder eine schöne Homogenität der vier Streicher hören konnte bis hin zum Trio des Scherzos, in der die erste Geige mit allerlei Portamenti und Glissandi überraschte, die Adrien Jurkovic voll auskostete. Auch das ist wohl als Scherz zu sehen, der dem Charakter eines Bauerntanzes etwas perfekt Kontrastierendes entgegensetzte. Ähnlich positiv der Eindruck des elegischen langsamen Satzes, einem Largo sostenuto, dessen matter Glanz ebenso schön leuchtete, wie das Finalrondo lebhaft um sich kreiste.
Nach der Pause dann mit Dvořáks op. 106 die große romantische Entladung. Sie erinnert im dichten Satz oftmals an ein Streichorchester und lotet mit viel Ton, der die vier Streicher oft an den Anschlag brachte und nicht immer präzise war, das Geschehen vollstimmig aus. Umso ergreifender der langsame Satz, in der eine schöne Melodie eine vollgriffige Begleitung und dramatische Zuspitzung erfährt, dann freilich wieder schier zu schweben schien. Auch sonst gelangen – wie im Trio des Scherzos – die stillen Enklaven, die nach Volksmusik klangen, am besten, hörten da doch die vier ganz nach innen und konnten einmal mehr ihren schönen Quartett-Klang unter Beweis stellen.
Als Zugabe folgte still und leise die Adaption der Romanze aus dem opus 118 von Johannes Brahms.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.