Nach(t)kritik
Satire in den Zeiten der Laubfrösche
Veranstaltung: Lisa Catena: Der Panda Code„Ist das noch Kabarett?“ fragt ein Zuschauer am Ende des Abends und ist damit vermutlich den Intentionen von Lisa Catena näher, als er selber glauben mag. Denn mit Schenkelklopfen und „Öhaha!“ hat das neue Programm „Der Panda-Code“, dass Catena am Freitagabend in Gauting vorstellte, nicht viel zu tun. Der Schweizer Künstlerin geht es vielmehr um die Frage: „Was kann Satire?“ Was bewirkt diese Sparte, die von Schubladen-Etikettierern so gerne diminuierend als „Kleinkunst“ betitelt wird? Ist man nicht vielmehr unter Gleichgesinnten, die sich in ihrer Sicht auf die Welt bestätigt sehen und gemeinsam mit dem Kabarettisten, der Kabarettistin auf die Missstände in Politik und Gesellschaft blicken und auf jene, die diese zu verantworten haben? Wenn Lisa Catena beispielsweise vom inflationären Datenklau durch Facebook & Co. spricht und darüber, dass diese Unternehmen weit mehr über ihre Nutzer wissen, als diese sich eingestehen würden, dann ist das im Publikum den allermeisten durchaus bewusst und sie dokumentieren ihre Ablehnung der Geschäftsgebaren von Zuckerberg und seinen Kollegen durch anhaltende Akklamation. Was also bewirkt dann Satire?
Es ist in Zeiten wie diesen vermutlich genauso paradox, politisches Kabarett auf den dafür bereitstehenden Bühnen zu machen, wie es paradox ist, ein Umweltschützer zu sein. „Der Mensch schadet der Umwelt weit mehr als jedes andere Lebewesen“, sagt Lisa Catena und folgert, dass es unter ökologischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll sein könnte, wenn Umweltschützer sich selber umbrächten. So wie es sinnvoll sein könnte, wenn Vegetarier aus denselben ökologischen Gründen sich zum Fleischkonsum zwingen würden - schließlich tragen die von Kühen ausgestoßenen Methangase wesentlich stärker zur globalen Erwärmung bei als die Dieselfahrzeuge jener Vegetarier, die durch ihren Fleischverzicht wiederum die Kühe verschonen. Irrsinn auf der ganzen Linie. „Die Welt ist verrückt“, sagt Lisa Catena, „Schweizerinnen machen politisches Kabarett, Bayern wählen Grüne, und Engländer schreiben Kochbücher.“
Eine Frage steht wie ein Leitfaden über dem Abend: kann das wirklich sein? In einer Zeit, in der Fakten bezweifelt, Nachrichten mit Misstrauen betrachtet und Journalisten geächtet (im beste Fall) werden, ist dies tatsächlich die Kernfrage. Was ist wirklich, was ist falsch? Wo endet die Realität und wo beginnt der Irrsinn? Und lässt sich das eine tatsächlich noch vom anderen trennen? Der World Wide Fund for Nature, kurz WWF, führt als Wappentier den Großen Panda - ein Tier, das mit seinen Kulleraugen einen großen Kuschelfaktor mitbringt. Der WWF sorgt für den Schutz und Erhalt des Pandas, genauso wie er für den Schutz und Erhalt des grünen Laubfrosches sorgt. Der ist nun weniger niedlich und steht, auf einer Skala von eins bis zehn, dem beliebten Panda diametral gegenüber.
„Es gibt Pandas“, erklärt Catena, „und es gibt Laubfrösche. Die einen stehen oben, die anderen unten.“ In einer paradoxen, zum Irrsinn neigenden Zeit helfen Ordnungssysteme immer weiter. Die Kabarettistin nennt eine ganze Reihe von Beispielen für selbst ernannte Pandas und ebensolche Laubfrösche. Das Fatale ist, dass gerade die Pandas die bisher geltenden Werte von Solidarität und gegenseitiger Achtung in die Luft sprengen. Ein Land wie Italien, das bei vielen ähnliche Jauchzer auslöst wie die Kulleraugen des schwarzweißen Bären, verklärt seine faschistische Vergangenheit ebenso wie es seine gegenwärtigen Nationalismen verharmlost. Doch die Laubfrösche sehen nur den Vino und die Strada del Sol.
Und das neue Programm selber? Panda oder Laubfrosch? Es ist noch sehr neu und muss noch ein bisschen wachsen und sich verselbständigen, bis die Dynamiken stimmen, die Tempi und Akzente. Dann könnte es ein Panda werden - einer, der weniger mit den Kulleraugen rollt als dass er sich seiner Kraft bewusst ist. Eine Kraft, die das Nachdenken forciert und das Lachen im Halse stecken bleiben lässt wie eine quer steckende Tobleronespitze. Darf Kabarett das? „Es darf“, entscheidet Lisa Catena am Ende des Abends. Zu Recht.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.