Nach(t)kritik
Singen, Tanzen, Schweben
Veranstaltung: Trio Gaspard: Haydn, R. Schumann, Beamish und LisztFreilich ist das Klaviertrio eine schwierige Gattung, akustisch ungünstig durch das dominante Klavier, gegen das sich Geige und Cello behaupten müssen. Die Kunst ist, diese Schwierigkeiten nicht hörbar werden zu lassen. In den über zehn Jahren gemeinsamen Musizierens hat das international besetzte Trio Gaspard das zur Perfektion gebracht. Hier musizieren drei wie einer, drei charakterlich gänzlich unterschiedlich disponierte Menschen, die mit Intelligenz und Originalität ihr Programm zum Leuchten bringen.
Fixstern in diesem Programm ist das reichhaltige Trio-Schaffen Joseph Haydns. Das Trio Gaspard arbeitet an einer Gesamtaufnahme der über vierzig Gattungsbeiträge und gewährt im Gautinger Konzert Einblick in die Werkstatt. Dabei bedarf es nicht mehr als zwei Takte des A-Dur-Trios (Hob. XV: 9), um zu beweisen, wie sehr das Trio sich klanglich im Haydn-Kosmos eingefunden hat. Frühlingshaftes Aufblühen im ersten Satz, in dem die drei bei kammermusikalischer Intimität die reichlichen Verzierungen zum Sprechen bringen. Der zweite und letzte Satz des Werks zeigt den musikantischen Haydn, geprägt von der Volksmusik seiner Heimat. Dass Jonian Ilias Kadesha seinen Geigen-Part mit Portamenti-Jauchzern anreichert, ist daher legitim und passt ins Klangbild.
Das Trio Gaspard ist versiert in allen Epochen. Wenn es nach dem frisch aufgespielten Haydn Robert Schumanns zweites Klaviertrio (Opus 80) beginnt, ist es, als würde man einem anderen, nicht weniger interessanten Ensemble zuhören. Klangfarblich genau differenziert, bietet das Trio den Kopfsatz warm expressiv. Da es sich spielerisch so verhält, als würde es zu dritt an einem einzigen großen Instrument agieren, kann es sich rhythmische Freiheiten erlauben, die sich organisch in den Werkzusammenhang integrieren. Am deutlichsten wird das im langsamen Satz. Hier haben die drei zudem Gelegenheit, bei profunder Gesanglichkeit ihre eigenen musikalischen Charaktere zu präsentieren: Kadeshas feiner, flexibler Geigenton; Vashti Hunter, die am Cello einen direkteren Zugang pflegt; Nicholas Rimmers kultiviert artikulierte Klavierkunst. Allein im eruptiven Finale lassen sich ein Dutzend verschiedene Arten ausmachen, Legato zu spielen.
Dass das Trio Gaspard gerne auch ganz bewusst epochenübergreifende Bezüge herstellt, zeigt der zweite Teil des Konzertabends. Denn ihr Haydn-Projekt ist gekoppelt an eine Reihe von Aufträgen an Komponistinnen und Komponisten, die in ihren Werken auf die Haydn’schen Stücke reagieren. Die Britin Sally Beamish gehört zu diesem Kreis von Komponierenden. An eine schwerelose Darbietung von Haydns E-Dur-Trio (Hob. XV: 28) schließt sich Beamishs „Trance“, ein Blick zum Wiener Klassiker, eine Erinnerung an Haydn-Interpretationen der Mutter der Komponistin, eine komponierte Spur. Das Trio Gaspard schafft es, aus den impressionistischen, wenngleich dissonant geschärften Klängen, Strukturen zu schaffen: lichte, schwebende Figuren, Musik in Wolkenform.
Geradezu handfest wirkt dagegen die abschließende Ungarische Rhapsodie Nummer 9, die Franz Liszt selbst für Klaviertrio eingerichtet hat. Den tänzerischen Kehraus bietet das Trio mit sichtbarer Spielfreude, mit Spaß am rasanten, riskanten Musizieren. Beifall spendet das Publikum mit Händen und Füßen, was das Trio zu einer kleinen Zugabe animiert. Ein weiteres der zeitgenössischen Auftragswerke, diesmal aus der Feder von Olli Mustonen – „Introduzione e Allegro alla polacca“, eine gewitzte Piece, die Papa Haydns Humor gekonnt ins einundzwanzigste Jahrhundert übersetzt.
Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.