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Nach(t)kritik

Do, 02.02.2017
20.00 Uhr

So ne Fragen

Veranstaltung: HG Butzko: Menschliche Intelligenz

Wenn man die Welt und ihren gegenwärtigen Zustand betrachtet (und diese Kernaufgabe der Kabarettisten nimmt HG Butzko sehr ernst), mag auf den ersten Blick den Menschen nicht allzu viel vom Tier unterscheiden: beide reagieren auf der Basis von Reflexen, haben Angst vor dem Unbekannten und orientieren sich an früh erlernten Gesetzmäßigkeiten. Doch es gibt auch Unterschiede. Einer der wesentlichsten ist die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können. Möglicherweise ist es dies, was neben anderem die menschliche Intelligenz prägt. „Menschliche Intelligenz“ ist jedenfalls der Titel des neuen Programms, das HG Butzko am Donnerstagabend im bosco vorstellte und das sich vor allem mit den Folgen von zwei Büchern beschäftigte: dem Koran und der Bibel. Beide Bücher prägen bis heute die Art und Weise, wie Menschen ihr Leben führen und wie sie ihre Zeitgenossen betrachten und beurteilen. Eines der beiden, der Koran, ist aufgrund einer Folge von Ereignissen in den Verdacht geraten, zum Ausüben von Terror zu verleiten. Dies hat HG Butzko veranlasst, sich das Buch und vor allem die ihm zugeschriebenen Folgen einmal genauer zu betrachten, und seit er das tut, erhält er seltsame Zuschriften - in erster Linie dort, wo sich die seltsamen Zuschriften generell häufen: in digitalen, sogenannten sozialen Netzwerken.

„Manche verwechseln mich mit einem Proktologen“, erklärt HG Butzko, der Satz wird zum Mantra an diesem Abend (das macht er gern: eine scheinbar flapsige Bemerkung sich zum Leitmotiv eines Programms entwickeln zu lassen), „die fragen dann so ne Fragen.“ Und lassen ihn damit - übertragen gesprochen - jenes Körperteil sehen, das dem Proktologen zum Arbeitsfeld und jedem anderen zum Schimpfwort gerät. Fragen wie die nach seiner politischen Gesinnung (die zumeist gleich mit genannt wird, in Kombination mit weiteren Schimpfworten), Fragen wie die, warum dem Islam hierzulande dauernd Sonderrechte eingeräumt würden oder ob man nicht den Koran hierzulande längst verbieten müsse, da er doch an vielen Stellen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Fragen von Menschen, die sich nicht selten auf jenes andere Buch berufen, das sie vermutlich ebenso wenig gelesen haben. HG Butzko hat den Koran gelesen, einige besonders krasse Stellen zitiert er gleich - Stellen, die beispielsweise Frauen dazu auffordern, ihr Haar zu bedecken oder die zum Niederbrennen der Städte Ungläubiger aufrufen. „Ach nee“, stellt er nach jedem Zitat fest, „das war ja gar nicht der Koran, das war die Bibel.“ Tatsächlich ist so manches, was in der Bibel steht, ebenso wenig mit dem Grundgesetz vereinbar. „Ich denke“, resümiert der Kabarettist, „ dass sich religiöse Menschen ans Grundgesetz halten sollten, dann brauchen sie kein Buch, das sich mit diesem nicht vereinbaren lässt.“

Und so folgen noch weitere Verwechslungen mit einem Proktologen, die HG Butzko jedesmal dazu veranlassen, zu differenzieren. Die Angst vor dem islamistischen Terror betrachtet er dabei ebenso differenziert wie die populistischen Hintergründe von Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus. Dabei gelingen ihm immer wieder ausgezeichnete, sprachlich hervorragende Spitzen und ein politisches Kabarett, wie man es derzeit nur sehr selten findet. Gewiss hätte man von einem so intelligenten Solisten auch mehr Differenzierung bei seiner etwas populistischen Medienschelte erwarten dürfen (schließlich ist Berichterstattung bei Amokläufen wie dem in München oder Anschlägen wie dem in Berlin alles andere als „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ - man stelle sich nur ein durchgängiges Schweigen in solchen Situationen bei flüchtigen Tätern vor). Dafür ist er an anderen Stellen umso begründeter, klarer. Steht einfach da am Stehtisch, die Hand in der Tasche, und zündet seine verbalen Bomben. „Wer in den Himmel will, muss nur durchs Leben gehen“, lautet eine davon. Vielleicht die ehrlichste. Für menschliche Intelligenz die einzige. Aber nicht jeder ist für Ehrlichkeit geeignet.

Sabine Zaplin, 02.02.2017


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.
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Do, 02.02.2017 | © Copyright Werner Gruban, Theaterforum Gauting