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Nach(t)kritik

Mi, 15.04.2015

Spektakuläre Bilder von atemberaubender Lässigkeit

Veranstaltung: Florian Holzherr: 15 Jahre Kunst- und Architekturdokumentation
„Ich bin überzeugt, dass viele Gautinger gar nicht wissen, welche Genialität hier hinter den Heckenzäunen verborgen ist“, sagt Hans-Georg Krause. Der international renommierte Fotograf Florian Holzherr, geboren in Gauting und dorthin zurückgekehrt, lebt und arbeitet hinter einem Gautinger Heckenzaun. Sein Atelier, ebenfalls hinter diesem Heckenzaun verborgen, ist ein minimalistischer schwarzer Kubus, der Architektur-Fans den Atem raubt. Und atemberaubend ist nun auch der Blick, den Florian Holzherr den Besuchern in seine Welt gewährt, die freilich alles andere als eine Welt hinter dem Heckenzaun ist. „15 Jahre Kunst- und Architekturdokumentation“ hat er die Ausstellung überschrieben, die am Mittwochabend eröffnet wurde.
Da ist nun zunächst Deutschlands berühmtester Barmann, der im Treppenhaus zur „bar rosso“ die Besucher empfängt und sie auf dem Heimweg auch wieder verabschiedet. Die beiden Portraitaufnahmen von Charles Schumann verraten viel darüber, wie Florian Holzherr denkt – und wie er sieht: Er hat sie über Eck so positioniert, dass Schumann beide Male den Blick des Betrachters aufnimmt, ihm dann mit dem keck in der Espressotasse steckenden Löffelchen oder mit der leichten Drehung des Kopfes gleichsam den Weg weist und seine Schritte lenkt. Auf das absolut Wesentliche reduziert, sorgfältig bis ins allerkleinste Detail inszeniert und dabei völlig unprätentiös, wie zufällig entstanden: so sind die Bilder von Florian Holzherr und so präsentiert er sie auch in dieser Ausstellung, ungerahmt auf Papier, wie im Vorbeigehen an die Wand gepinnt.
Eine Sonderstellung in dieser Werkschau nimmt eine große querformatige Landschaftsaufnahme „Train in Marfa“ ein, das einzige Bild, das nicht als Auftragsarbeit entstanden ist. Zwei sich in der Ferne kreuzende Bahnlinien bestimmen den Bildaufbau, ein Leitungsmast im Vordergrund markiert die Mittelachse. Ein Zug, so lang wie er nur in Amerika sein kann, eine Wüstenlandschaft, so geradlinig durchschnitten, wie es das nur in Amerika geben kann und darüber ein Himmel so blau, licht und weit, wie es ihn nur über dem amerikanischen Kontinent gibt – und wieder wie aus der Hüfte fotografiert, ein spektakuläres Bild von atemberaubender Lässigkeit.
Die Liste der Auftraggeber von Florian Holzherr liest sich „wie das Who is Who der Kunst- und Architekturszene“, so der Architekt Andreas Meck in seiner Laudatio. Für ihn ist schon der Hinweis „lebt und arbeitet in Gauting bei München“ pures Understatement: „Man würde erwarten, dass er ein Atelier in New York hat.“ Tatsächlich vertrauen einige der bedeutendsten Künstler der Gegenwart, allen voran der Amerikaner James Turrell, auf den Fotografen Florian Holzherr. Gleiches gilt für Architekturbüros wie Allmann Sattler Wappner, Herzog & de Meuron, Foster & Partners oder Peter Zumthor und zahlreiche Institutionen, Museen und Galerien.
So sind denn auch die in Gauting gezeigten Fotografien, übrigens alle mit einer analogen Kamera aufgenommen, zumeist Bilder von Kunst- und Bauwerken. Fast immer geht es um Raumsituationen, die der Fotograf lesbar und – mehr noch – erlebbar macht. Das gilt insbesondere für die Arbeiten von James Turrell, den zum größten Kunstwerk der Welt verwandelten „Roden Crater“ in der Wüste von Arizona und die Lichträume, für die der Künstler vor allem berühmt ist. Es gilt aber auch für Michael Heizers Installation „Levitated Mass“ im Los Angeles County Museum of Art – und es gilt nicht zuletzt auch für das katholische Pfarrzentrum St. Nikolaus in Neuried, das wie Holzherrs eigenes Atelier von Andreas Meck geplant wurde.
Für den Betrachter beginne mit jedem der Bilder von Florian Holzherr eine Geschichte, so Meck in seiner Einführung: „Das Gespür für den richtigen Moment macht den Fotografen zum Künstler und das Abbild der Welt zu einer eigenen Welt.“
Katja Sebald, 15.04.2015


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.