Direkt zum Inhalt

Nach(t)kritik

Sa, 24.04.2021
19.00 Uhr

Stell dir vor, es ist Weltuntergang...

Veranstaltung: gauting.live: Aufführung des 3. Theaterjugendclubs Gauting - "Weltuntergang" von Jura Soyfer

Was kann man tun, wenn der Weltuntergang droht und sich keiner drum kümmert? Man kann den Kopf in den Sand stecken, irgendwie weiterwurschteln, oder man wird laut. Man kann es sich auf der „Hat eh alles keinen Sinn“-Couch bequem machen oder man spielt dagegen an, allen Pessimisten zum Trotz. Letzteres haben die zwölf Jugendlichen getan, die sich vor gut einem halben Jahr zum 3. Gautinger Jugendclub zusammengefunden haben, um den Weltuntergang zu proben. Also den, von dem der ukrainisch-österreichische Schriftsteller Jura Soyfer im Jahr 1936 unter dem Titel "Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang" in seinem ersten Theaterstück erzählte. Den, welchen die Jugendlichen unter der Leitung von Sebastian Hofmüller, Yvonne Kalles und Tobias Weber in ihre eigene Gegenwart hineingedacht haben. Der bei ihnen „WELTUNTERGANG oder Die Jugend muss mal wieder als Hoffnungsträger für die verkorkste Menschheit herhalten“ heißt.

Um es gleich vorweg zu nehmen: diese Jugend ist tatsächlich ein Hoffnungsträger für die verkorkste Menschheit. Sie haben genau das getan, was sie sich vor sechs Monaten vorgenommen haben: Theater gespielt. Und da Theater als Live-Veranstaltung, mit Schauspieler*innen auf der Bühne und einem Publikum im Saal, als Freizeitveranstaltung gilt und aus Gründen des Infektionsschutzes in seiner tradierten Form nicht stattfinden darf, haben die Jugendlichen eine neue Form entwickelt: das Zoom-Theater. Mit Hilfe von „gauting.live“ konnte die Premiere dieses „WELTUNTERGANG“ stattfinden und gestreamt werden. Und wer dabei war - und es waren sehr, sehr viele dabei -, erlebte ein kleines Wunder: da fand ein Theaterabend statt, mit allem, was Theater ausmacht - ein miteinander spielendes, aufeinander achtendes Ensemble, Interaktion, Bühnenbild- und Kostümwechsel, Lampenfieber und der aus sich entstehende, einzigartige, kostbare Moment des Auftritts.

Die zwölf jungen Schauspieler*innen haben sich den in Teilen nicht gerade einfachen Text von Jura Soyfer zueigen gemacht, haben ihn gemeinsam mit ihren Spielleitern in die Gegenwart geholt, zum Teil umgeschrieben oder ergänzt. Herausgekommen ist ein sehr unterhaltsames, anregendes Spektakel, in dem der bevorstehende Weltuntergang am Ende dank einer Gruppe aufmerksamer Kinder und Jugendliche gerade noch abgewendet werden kann. Assoziationen zu „Fridays for Future“ sind da gewiss beabsichtigt, und der ignorante Umgang von vielen Erwachsenen mit den nicht mehr zu übersehenden Hinweisen auf den tatsächlich bevorstehenden  Weltuntergang in Gestalt des Klimawandels ist hier ebenfalls als Verweis erkennbar.

Sehr kreativ und phantasievoll versteht es der Jugendclub, mit der digitalen Zoom-Bühne umzugehen. Immer wieder finden sie überraschende Bilder, nutzen das Angebot der virtuellen Hintergründe in den Kacheln beispielsweise als Bühnenbild oder zeigen kleine Spielszenen in ihren Kacheln: Staubsaugen, Kuchenbacken, Hometraining, sogar eine richtige Party mit Tanz und Musik verstehen sie gemeinsam zu feiern. So wird der Gautinger WELTUNTERGANG weit mehr als ein abgefilmtes Bühnenwerk: dieses Zoom-Theater nutzt, was das Medium bietet und reizt dessen Möglichkeiten mit allen Mitteln der Kunst auf das Bunteste aus. Was die zwölf Jugendlichen, was Leni Berger, Sophia Biäsch, Dina Demchenko, Jannis Hofmüller, Carlotta Huber, Henri Neumann, Nico Schneider, Antonia Seuss, Helene Strobl, Luciano Unger, Franz Unger und Lilli zur Weihen da miteinander entwickelt haben, war ein WELTUNTERGANG vom Feinsten - einer von denen, die Hoffnung machen auf die Welt von morgen.

Sabine Zaplin, 25.04.2021


Direkt nach der Veranstaltung schreiben professionelle Kulturjournalist*innen eine unabhängige Kritik zu jeder Veranstaltung des Theaterforums. Diese Kritik enthält dabei ausschließlich die Meinung der Autor*innen.